Dysbiose des Mikrobioms beim Hund
Geschrieben von Jan Suchodolski
Zunehmend wird erkannt, dass ein dysfunktionales intestinales Mikrobiom die Wurzel zahlreicher gastrointestinaler Erkrankungen sein kann. Dieser Artikel diskutiert die Diagnose und therapeutische Optionen bei Hunden mit Dysbiose.
Kernaussagen
Das intestinale Mikrobiom ist ein metabolisches Organ mit erheblichem Einfluss auf die Gesundheit des Wirtes.
Dysbiose ist ein frher Marker eines abnormen Darmmilieus, wobei die Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung die Voraussetzung fr eine Langzeitresolution ist.
Ditetische Modifikation sollte die Behandlung der ersten Wahl sein bei einem Patienten mit Dysbiose im Zusammenhang mit einer chronischen Enteropathie, da sie oft klinisch wirksam ist und nur minimale Nebenwirkungen hat.
Fkale Mikrobiota-Transplantation (FMT) ist eine neu aufkommende Behandlungsoption fr Dysbiose, die Anwendung bei Hunden befindet sich aber nach wie vor im Versuchsstadium.
Einleitung
Als intestinales Mikrobiom bezeichnet man das kollektive Genom sämtlicher Mikroorganismen (d. h., Bakterien, Viren, Pilze und Protozoen) im Gastrointestinaltrakt, wobei Bakterien der am reichlichsten vorhandene Bestandteil sind. Das Mikrobiom kann sowohl als ein Bestandteil des Immunsystems als auch eine metabolische Entität betrachtet werden, da die Bakterien Metaboliten bilden, die sowohl den Gastrointestinaltrakt als auch andere Organe des Körpers beeinflussen. Als Dysbiose bezeichnet man Veränderungen des Mikrobioms, die während einer Erkrankung auftreten und eine Reduzierung der Diversität des Mikrobioms (z. B. Anzahl verschiedener Bakterien), Veränderungen der Quantität der Bakterien sowie funktionelle Veränderungen (z. B. veränderte Produktion bakterieller Metaboliten) umfassen. Häufig entsteht eine Dysbiose sekundär infolge einer zugrundeliegenden Erkrankung im Darm und trägt bei einigen Patienten zu den klinischen Symptomen bei [1]. Es handelt sich daher um einen zusätzlichen Marker für Erkrankungen des Darms, der in entsprechenden Fällen bei der Diagnostik ergänzend zum Vorbericht und zum klinischen Bild beurteilt werden sollte. Die Therapie einer Dysbiose sollte zunächst auf die Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung abzielen, wobei eine diätetische Modifikation als die Behandlung der ersten Wahl gilt.
Funktion des Mikrobioms
Bakterien produzieren entweder direkt Substrate (Vitamine) oder sie wandeln diätetisch zugeführte Moleküle (Fasern, Protein, Fett) oder vom Wirt stammende Verbindungen (Gallensäuren) in bakterielle Metaboliten um. Aus diesen Gründen übt die Mikrobiota zahlreiche vorteilhafte Effekte auf den Wirt aus. Wichtige Metaboliten sind kurzkettige Fettsäuren (SCFA), Indole und sekundäre Gallensäuren. Diese Verbindungen haben zahlreiche und vielfältige Effekte wie antiinflammatorische Wirkungen, Modulation der intestinalen Motilität, Hemmung von enteropathogenen Erregern, Verbesserung der Darmbarrierefunktion und gesteigerte Mucinproduktion [2]. Eine Dysbiose, die in vielen Fällen die Folge verschiedener luminaler Faktoren ist (Box 1), führt zu einer veränderten Funktion der Mikrobiota, die dann zu klinischen Symptomen beiträgt [1]. Von besonderer Bedeutung für die Regulation der Mikrobiota sind die intestinalen Gallensäuren. Kurz zusammengefasst werden primäre Gallensäuren (Cholsäure und Chenodesoxycholsäure) nach einer Mahlzeit in den Dünndarm hinein freigesetzt, um die Fettverdauung zu unterstützen. Bis zu 95 % dieser Gallensäuren werden im Ileum reabsorbiert und dem enterohepatischen Kreislauf zugeführt [3], während der Rest in den Dickdarm gelangt und dort von Bakterien (bei Hunden und Katzen hauptsächlich Clostridium hiranonis) in sekundäre Gallensäuren umgewandelt wird [4]. Diese Umwandlung hat bedeutende Folgen für die Gesundheit des Wirtes, da sekundäre Gallensäuren – in der korrekten Quantität – zahlreiche vorteilhafte Effekte haben. So wirken sie unter anderem als Signalagonisten für verschiedene Rezeptoren in zahlreichen Organen und induzieren antiinflammatorische und glukosesenkende Effekte, sowie eine Suppression enteropathogener Erreger [5].
Box 1. Erkrankungen und Faktoren, die mit intestinaler Dysbiose assoziiert sind.
|
Beurteilung des Mikrobioms
Es gibt verschiedene Möglichkeiten für die Beurteilung des Mikrobioms eines Hundes, einige sind aber effektiver als andere.
Bakterienkultur
Bakterielle Kulturen der Fäzes werden zwar nach wie vor von vielen Tierärzten für die Diagnose einer Dysbiose eingesetzt, sie sind für die Beurteilung des Mikrobioms letztlich aber nicht hilfreich, da die Mehrzahl der intestinalen Bakterien strikt anaerober Natur ist und deshalb für die Anzucht spezielle Nährmedien erfordert (Abbildung 1). In diagnostischen Labors kann folglich nur ein geringer prozentualer Anteil der tatsächlich relevanten Bakterienspezies kultiviert werden. In einer jüngsten Studie wurden verschiedene Aliquots von Kotproben gesunder Hunde und von Hunden mit chronischer Diarrhoe an drei veterinärmedizinische Referenzlabore geschickt für die Evaluierung einer Dysbiose [6]. Die Ergebnisse der Kulturen stimmten zwischen den Laboren nicht überein, und auf der Grundlage der Laborbefunde wurde eine Dysbiose in der Tat häufiger in der Gruppe der gesunden Hunde festgestellt. Diese Studie zeigt, dass bakterielle Kulturen nicht für eine Beurteilung der Mikrobiota bei Hunden mit chronischer Diarrhoe eingesetzt werden sollten, außer zum Nachweis spezifischer pathogener Erreger, wie zum Beispiel Salmonellen.
Molekulare Sequenzierung der 16S rRNA Gene
Molekulare Techniken auf Basis der Sequenzierung von 16S rRNA Genen liefern umfassende Informationen über die mikrobielle Zusammensetzung einer Kotprobe und werden vorwiegend im Rahmen von Wissenschaft und Forschung eingesetzt. Verschiedene Unternehmen bieten eine Sequenzierung zur Beurteilung des Mikrobioms auf kommerzieller Basis für individuelle Tiere an, es gibt gegenwärtig aber keine einheitlichen und standardisierten Methoden (z. B. DNA-Extraktion, verwendete PCR-Primer) in diesen Labors. Da keine Referenzbereiche für Tiere definiert sind und jedes Laborunternehmen unterschiedliche Berichte erstellt, ist zudem die Interpretation der Ergebnisse schwierig. Hinzu kommt, dass häufig Inter-Assay-Variationen auftreten, und analytische Validierungsdaten für diese Assays nicht zugänglich sind. Aus diesen Gründen wird eine Beurteilung des Mikrobioms auf der Basis einer Sequenzierung für individuelle Patienten gegenwärtig nicht empfohlen.
Der canine Mikrobiota-Dysbiose-Index (DI)
Der Dysbiose-Index (DI) ist ein quantitativer, PCR-basierter Test, der gegenwärtig in Nordamerika und in Europa kommerziell erhältlich ist und heute in zahlreichen klinischen Studien angewendet wird [4],[7], da es sich um den einzigen validierten Assay für die Beurteilung der Dysbiose beim Hund handelt *. Der Dysbiose-Index quantifiziert das Vorhandensein von sieben intestinalen Bakterienstämmen (Box 2), deren Quantität und Zusammensetzung bei Hunden mit chronischen Enteropathien (CE) oder nach einer Behandlung mit Breitspektrumantibiotika (z. B. Tylosin, Metronidazol) häufig verändert sind [8],[9]. Der Assay liefert definierte Referenzintervalle für diese Bakteriengruppen und fasst die gesammelten Daten zu einem einzigen Zahlenwert zusammen, der schließlich das Ausmaß der Dysbiose beschreibt (Abbildung 2). Ein Dysbiose-Index zwischen 0 und 2 entspricht einer moderaten Verschiebung der Mikrobiota, während ein Indexwert > 2 auf eine hochgradige Verschiebung hinweist. Die Sensitivität und Spezifität dieser Methode sind in Box 3 dargestellt.
* https://tx.ag/DysbiosisGI
Box 2. Die sieben für den caninen Dysbiose-Index bestimmten Bakteriengruppen und ihre quantitativen Veränderungen bei Dysbiose.
| Bakteriengruppe | Veränderung bei Dysbiose |
|---|---|
| Faecalibacterium spp. | ↓ |
| Turicibacter spp. | ↓ |
| Blautia spp. | ↓ |
| Fusobacterium spp. | ↓ |
| C. hiranonis | ↓ |
| Streptococcus spp. | ↑ |
| E. coli | ↑ |
Box 3. Sensitivität und Spezifität des Dysbiose-Index (DI) für chronische Enteropathien; ein DI zwischen 0-2 weist auf eine moderate Verschiebung in der Mikrobiota hin, während Werte über 2 eine hochgradige Verschiebung anzeigen.
| Dysbiose- Index | Sensitivität | KI (95%) | Spezifität | KI (95%) |
|---|---|---|---|---|
| -1 | 0,82 | 0,73-0,88 | 0,91 | 0,84-0,96 |
| 0 | 0,74 | 0,65-0,82 | 0,95 | 0,89-0,98 |
| 2 | 0,63 |
0,53-0,72
|
1 | 0,96-1,00 |
Durch die spezifische Bestimmung der Konzentration von C. hiranonis ermöglicht der Dysbiose-Index darüber hinaus auch eine Aussage über die Fähigkeit der intestinalen Mikrobiota zur Umwandlung primärer Gallensäuren in sekundäre Gallensäuren [4]. Physiologische Konzentrationen sekundärer Gallensäuren wirken antimikrobiell und supprimieren potenzielle enteropathogene Erreger wie C. difficile, C. perfringens und E. coli [10]. Verminderte Mengen von C. hiranonis und eine reduzierte Umwandlung von Gallensäuren sind bei Hunden daher in hohem Maße mit intestinaler Dysbiose und einer Überwucherung mit enteropathogenen Erregern assoziiert (Abbildung 2) [4],[7],[8],[11]. Bei einem Hund mit Diarrhoe deutet der Nachweis einiger oder aller dieser enteropathogenen Erreger eher auf eine Überwucherung aufgrund einer zugrundeliegenden Dysbiose infolge einer chronischen Enteropathie hin, und weniger auf ein primäres Infektionsgeschehen. Bis zu 60 % aller Hunde mit chronischer Enteropathie weisen verringerte Konzentrationen von C. hiranonis auf, und somit auch herabgesetzte Konzentrationen sekundärer Gallensäuren [12].
Das Mikrobiom bei Erkrankungen
Tabelle 1 fasst zusammen, auf welche Weise intestinale Bakterien zu einer Erkrankung beitragen können, auch wenn die zugrundeliegenden pathologischen Veränderungen in Abhängigkeit von der Lokalisation und dem Schweregrad der intestinalen Schädigung zwischen einzelnen Patienten variieren werden. Die Mikrobiota steht in direktem Kontakt mit der Schleimschicht des Darms, dem Immunsystem und luminalen Substraten. Veränderungen bei einem oder mehreren dieser Faktoren haben letztlich einen Einfluss auf die Zusammensetzung der Mikrobiota, und Dysbiose ist oft ein früher Marker eines abnormen Darmmilieus im Zusammenhang mit einer Erkrankung (Abbildung 3).
Tabelle 1. Mechanismen, über die Bakterien zu gastrointestinalen Erkrankungen beitragen.
| Haupttypen der Dysbiose | Mögliche Folgen |
|---|---|
| Abnorme Substrate im Darmlumen (z. B. unverdaute Nährstoffe, Arzneimittel) | Zunahme bakterieller Metaboliten, die Diarrhoe hervorrufen |
| Verlust der Mikrobiota-Funktion aufgrund eines Verlustes kommensalischer Bakterien (z. B. C. hiranonis) |
Reduzierte Umwandlung primärer in sekundäre Gallensäuren führt zu Überwucherung durch enteropathogene Keime.
Mangel an antiinflammatorischen Metaboliten |
| Zunahme der Gesamtbakterienlast im Dünndarm |
Zunahme bakterieller Metaboliten, die Diarrhoe hervorrufen
Gesteigerte inflammatorische Immunantwort |
| Zunahme schleimhautadhärenter Bakterien | Gesteigerte inflammatorische Immunantwort |
Eine hauptsächlich auf das Darmlumen beschränkte Dysbiose findet man oft bei Patienten mit exokriner Pankreasinsuffizienz (EPI) [13], aber auch nach einer Behandlung mit Breitspektrumantibiotika [8],[9] oder bei jüngeren Tieren mit unreifem Immunsystem. Chronische Enteropathien gehen mit entzündlichen Veränderungen und einer Zerstörung der Schleimschicht und der Schleimhautstruktur einher. Die Folgen sind eine höhere Sauerstoffkonzentration an der Schleimhautoberfläche, eine Zunahme aerober Bakterien (E. coli) und eine Abnahme der normalen anaeroben Flora. Der Verlust der Schleimhautarchitektur im Zusammenhang mit einer chronischen Enteropathie führt zu einem Mangel an Transportern für Kohlenhydrate, Aminosäuren, Fettsäuren und Gallensäuren, in dessen Folge es zu einer intestinalen Malabsorption dieser Verbindungen kommt [14]. Die daraus resultierende Zunahme residualer Mengen dieser Substrate im Gastrointestinallumen kann direkt zu osmotischer oder sekretorischer Diarrhoe führen, aber auch zu einer bakteriellen Überwucherung.
Infolge einer Zerstörung der das Darmepithel überziehenden Schleimschicht weisen Hunde mit chronischer Enteropathie häufig erhöhte Anzahlen schleimhautadhärenter Bakterien auf [15]. Hier besteht ein Zusammenhang mit einer Reduzierung von C. hiranonis und der damit verbundenen eingeschränkten Umwandlung von Gallensäuren, die wiederum eine sekundäre Überwucherung mit C. difficile and C. perfringens ermöglicht, in deren Folge es zu gesteigerten proinflammatorischen Antworten des Wirtes kommen kann.
Diätetische Modifikation ist die bevorzugte Behandlung der ersten Wahl bei intestinalen Erkrankungen, da sie keine negativen Auswirkungen auf die Mikrobiota des Darms hat.
Diagnostisches Herangehen an Dysbiose
Da sich eine Dysbiose häufig sekundär infolge eines veränderten Darmmilieus im Zusammenhang mit einer intestinalen Erkrankung und/oder veränderten Umweltfaktoren entwickelt, sollte die Beurteilung dieser Patienten immer zusammen mit dem Vorbericht und dem klinischen Bild erfolgen. Die Interpretation der DI-Ergebnisse sollte stets in Verbindung mit den bestimmten Konzentrationen der individuellen Bakterienstämme erfolgen, und hier insbesondere von C. hiranonis, da eine Abnahme dieses kommensalischen Bakteriums ein wichtiger beitragender Faktor zu einem abnormen Mikrobiom ist. Ein Dysbiose-Index über 2 weist mit hoher Spezifität auf eine Dysbiose hin, während ein Dysbiose-Index im uneindeutigen Bereich für eine geringgradige Verschiebung im fäkalen Mikrobiom spricht. Einige Hunde mit chronischer Enteropathie können einen Dysbiose-Index < 0 haben, aber dennoch einige Bakterienstämme außerhalb ihres Referenzintervalls aufweisen; ein solches Ergebnis repräsentiert dann in der Regel eine geringgradigere Form von Dysbiose. Im Allgemeinen weist ein abnormer Dysbiose-Index aber auf eine zugrundeliegende intestinale Erkrankung hin, so dass in diesen Fällen in aller Regel eine weitergehende diagnostische Abklärung in Richtung einer chronischen Enteropathie angezeigt ist.
Zu beachten ist, dass auch einige Arzneimittel einen Einfluss auf den Dysbiose-Index haben können. So kann zum Beispiel Omeprazol zu einem vorübergehenden Anstieg führen, dies aber mit normalen Konzentrationen von C. hiranonis, und einer Normalisierung des Dysbiose-Index etwa 1-2 Wochen nach Behandlungsende. Breitspektrumantibiotika (z. B. Metronidazol und Tylosin) können eine hochgradige fäkale Dysbiose induzieren (Abbildung 4), aber auch in diesen Fällen normalisiert sich die Mikrobiota bei den meisten Hunden innerhalb von 2-4 Wochen nach dem Absetzen der Antibiotika, auch wenn einige Individuen durchaus eine persistierende Dysbiose entwickeln können mit einer über mehrere Monate anhaltenden Abnahme von C. hiranonis [8],[11].
Veränderungen der Zusammensetzung der Mikrobiota im Dünndarm führen oft zu nachweisbaren Veränderungen im fäkalen Mikrobiom, die mit Hilfe des Dybiose-Index beurteilt werden können. Bei einigen Patienten kann eine erhöhte Anzahl von Bakterien im Dünndarm jedoch eine Erkrankung hervorrufen. Der Verdacht auf eine Dünndarm-Dysbiose besteht insbesondere dann, wenn das gastrointestinale Profil eine erhöhte Serumkonzentration der Folsäure und eine reduzierte Serumkonzentration von Cobalamin aufweist, wobei zu beachten ist, dass beide Marker eine niedrige Sensitivität und eine niedrige Spezifität besitzen.
Therapie bei Dysbiose
Dysbiose ist oft nur eine Komponente einer intestinalen Erkrankung, und in der Regel ist in diesen Fällen ein gegen die zugrundeliegende Ursache gerichteter, multimodaler Therapieansatz erforderlich. Bei einigen Patienten, zum Beispiel bei Hunden mit EPI, führt eine Pankreasenzymsupplementierung zu einer Besserung der klinischen Symptome, und oft normalisiert sich nach einigen Wochen auch das intestinale Mikrobiom [13]. Bei Hunden mit chronischer Enteropathie gibt es jedoch keine Marker, mit deren Hilfe man vorhersagen könnte, welche Behandlung für den individuellen Patienten am besten geeignet ist, so dass in vielen Fällen schrittweise nacheinander durchgeführte Versuchsbehandlungen erforderlich sind [16]. Die Therapieoptionen bei Hunden mit Dysbiose umfassen diätetische Modifikationen, Prä- und Probiotika, Antibiotika und eine fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT), wobei jeder dieser Behandlungsansätze über unterschiedliche Mechanismen wirkt (Tabelle 2). Kombinationsbehandlungen bringen in vielen Fällen den größten therapeutischen Erfolg.
Tabelle 2. Behandlungsoptionen bei Dysbiose.
| Behandlung | Wahrscheinlicher Mechanismus | Potenzielle Nebenwirkungen |
|---|---|---|
| Diätetische Modifikation |
|
|
| Präbiotika/Fasern |
|
|
| Probiotika |
|
|
| Antibiotika |
|
|
| Fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT) |
|
|
Diätetische Modifikationen sollten bei stabilen Patienten immer die Behandlung der ersten Wahl sein. Verschiedene Studien zeigen, dass zwischen 50 und 70 % der Hunde mit chronischer Enteropathie futtermittelresponsiv sind [16]. Am häufigsten eingesetzt werden hochverdauliche Nahrungen, die hydrolysierte oder „neue“, also dem Tier zuvor noch nie gefütterte Proteine enthalten. Die meisten dieser Nahrungen sind hypoallergen und sorgen für eine Verringerung der Menge an unverdauten Nährstoffen im Darmlumen, wodurch das Potenzial für eine bakterielle Überwucherung gesenkt wird. In den meisten Fällen einer futtermittelresponsiven Enteropathie ist die Modifikation der Nahrung allein schon ausreichend, um eine klinische Remission zu erreichen, da sie zu einer graduellen Besserung der intestinalen Entzündung und der Dysbiose über mehrere Monate führt [10],[17].
Probiotika können in geringgradigen Fällen allein verabreicht werden oder in Kombination mit einer diätetischen Modifikation. Da die Anzahl der mit einem Probiotikum zugeführten Bakterien im Vergleich zur vorhandenen Darmflora eher gering ist, haben Probiotika allerdings nur einen geringen direkten Effekt auf die Zusammensetzung der Mikrobiota. Sie heften sich jedoch an die intestinale Schleimhaut und können dort vorteilhafte Effekte erzielen, wie zum Beispiel eine Verkürzung der Dauer einer akuten Diarrhoe und eine Reduzierung Antibiotika-assoziierter gastrointestinaler Nebenwirkungen wie Erbrechen oder Diarrhoe [18]. Hochpotente Multistamm-Probiotika reduzieren nachweislich C. perfringens bei Hunden mit akuter hämorrhagischer Diarrhoe [19] und stärken die intestinale Barriere bei Hunden mit chronischer Enteropathie [20]. Da jedoch bei vielen kommerziellen Probiotika-Produkten zuverlässige Qualitätskontrollen fehlen, ist es wichtig, Präparate zu wählen, deren Wirksamkeit in veröffentlichten klinischen Studien nachgewiesen werden konnte.
Präbiotika sind unverdauliche Kohlenhydrate, die das Wachstum nützlicher Mikroorganismen fördern. Sie werden unterteilt in lösliche/unlösliche und fermentierbare/nicht fermentierbare Fasern. Fermentierbare Präbiotika werden von Dickdarmbakterien zu kurzkettigen Fettsäuren umgewandelt. Die meisten kommerziellen gastrointestinalen Diätnahrungen enthalten Präbiotika, bei einigen spezifischen Erkrankungen (z. B. Colitis) können jedoch besonders faserreiche Diätnahrungen von Vorteil sein. Die Supplementierung einer Nahrung mit Flohsamenschalen als Quelle löslicher Fasern in einer Dosierung von täglich 0,5-1 g /kg Körpergewicht kann die Kotqualität bei Tieren mit Erkrankung des Dickdarms verbessern. Das entsprechende Produkt sollte zunächst in geringerer Dosierung eingeführt und anschließend schrittweise erhöht werden, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist.
Antibiotika wie Tylosin und Metronidazol werden traditionell zur Behandlung chronischer Enteropathien empfohlen, ihr Einsatz als Mittel der ersten Wahl wird heute jedoch durchaus kontrovers diskutiert [16]. Auch wenn diese Antibiotika zu einer Besserung der klinischen Symptome führen können – wahrscheinlich aufgrund einer Reduzierung der Bakterienlast - kommt es nach der Behandlung häufig zu Rezidiven, wenn die Bakterien erneut wachsen, da Antibiotika nur selten den zugrundeliegenden Krankheitsprozess ausmerzen [15],[21],[22]. Häufig eingesetzt werden Metronidazol (10-15 mg/kg alle 12 Std.) und Tylosin (25 mg/kg alle 12 Std.) über eine Dauer von 4-6 Wochen. Wie oben erwähnt können beide Antibiotika jedoch nachweislich Dickdarm-Dysbiosen induzieren, die gelegentlich mehrere Monate anhalten [8],[9],[11]. Studien zufolge fördert Metronidazol anhaltende Dysbiosen bei Hunden mit akuter Diarrhoe [11], und Amoxicillin/Clavulansäure kann eine Zunahme resistenter E. coli begünstigen [23]. Bei chronischer Enteropathie werden Antibiotika im Allgemeinen nicht als Behandlung der ersten Wahl empfohlen, und dies aus mehreren Gründen: Nur 10-16 % aller Hunde mit chronischer Enteropathie sind antibiotikaresponsiv, in den meisten Fällen kommt es nach dem Absetzen der antibiotischen Behandlung zu Rezidiven und schließlich haben Antibiotika negative Auswirkungen auf das Mikrobiom. In Betracht zu ziehen ist eine antibiotische Therapie jedoch insbesondere nach gescheiterten diätetischen und antiinflammatorischen Versuchsbehandlungen oder bei Patienten mit Symptomen einer systemischen Entzündung [16] oder im Falle einer Invasion und Persistenz von Bakterien in der Darmschleimhaut (z. B. E. coli im Zusammenhang mit granulomatöser Colitis). Bei einer kleinen Untergruppe von Hunden mit chronischer Enteropathie, die auf keine andere Behandlung anspricht, kann eine Langzeitbehandlung mit Antibiotika erforderlich sein, wobei das gewählte Antibiotikum auf die geringste wirksame Dosierung ausgeschlichen werden sollte.
Eine fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT) kann in einigen Fällen einer Dysbiose helfen, die normale Mikrobiota wiederherzustellen und die klinischen Symptome zu verbessern [11]. Bei dieser Methode wird Kot eines gesunden Spenders über orale Kapseln, auf endoskopischem Weg oder mittels Einlauf in den Darm eines Empfängers übertragen (Abbildung 5 und 6). In der Humanmedizin hat die FMT eine hohe Erfolgsrate (> 90 %) bei rezidivierenden Infektionen mit C. difficile, sie erweist sich bei Inflammatory Bowel Disease aufgrund des zugrundeliegenden intestinalen Entzündungsgeschehen aber als weniger wirksam.
Bei Tieren ist die FMT immer noch eine relativ neue Therapie. Box 4 zeigt ein einfaches Protokoll, wobei zu berücksichtigen ist, dass bis heute in der Literatur nur einige wenige Fallserien beschrieben werden, in denen der therapeutische Erfolg der FMT offenbar von der zugrundeliegenden Erkrankung abhängt [24]. Unter anderem unterstützt diese Methode die Wiederherstellung des Gallensäurenmetabolismus durch eine Erhöhung der Konzentration von C. hiranonis (Abbildung 7), sie kann also insbesondere hilfreich sein bei Hunden mit abnormer Gallensäureumwandlung und einer damit zusammenhängenden Überwucherung mit enteropathogenen Keimen wie C. difficile oder C. perfringens und/oder bei Tieren mit antibiotikainduzierter Dysbiose bei gleichzeitig geringgradiger zugrundeliegender Schädigungen der Darmschleimhaut. Gezeigt werden konnte ferner, dass eine FMT Kot-Scores verbessert bei Patienten mit akuter Diarrhoe und bei Anwendung als adjuvante Therapie zur antibiotischen Standardbehandlung bei Hundewelpen mit Parvovirusinfektion, sowie bei jungen Hunden mit chronischer Diarrhoe aufgrund einer bestätigten C. difficile-Infektion [25].
Box 4. Protokoll für FMT über Einlauf (auf Basis von [24]).
|
| Material: 0,9 %ige NaCl, roter Gummikatheter 12 oder 14 Fg, 60 ml Spritzen, Mixer, Spenderkot, nicht-bakteriostatisches Gleitmittel. |
|
Bei Hunden mit chronischer Enteropathie ist eine Dysbiose häufig eine sekundäre Folge des intestinalen Entzündungsgeschehens und struktureller Darmschädigungen. Wenn die zugrundeliegende Erkrankung nicht erfolgreich behandelt wird, kommt es in diesen Fällen zu einem Rezidiv der Dysbiose und der klinischen Symptome. Aus diesem Grund zeigt die FMT bei Patienten mit chronischer Enteropathie sehr variable Erfolgsraten. Anekdotischen Berichten zufolge erreichen viele Hunde mit chronischer Enteropathie innerhalb von 2-3 Tagen nach einer FMT verbesserte Kot-Scores, sie entwickeln aber wenige Wochen später eine rezidivierende Diarrhoe. Bei diesen Patienten ist deshalb in erster Linie eine wirksame diätetische und antiinflammatorische Behandlung des zugrundeliegenden Krankheitsprozesses erforderlich (siehe oben). Bei Patienten, die auf entsprechende Standardbehandlungen nur suboptimal ansprechen (z. B. weiterhin weichen Kot absetzen), kann eine FMT aber als adjuvante Therapie eingesetzt werden.
Schlussfolgerung
Das intestinale Mikrobiom spielt eine entscheidende Rolle für die Gesundheit des Wirtes. Viele Tiere mit gastrointestinaler Erkrankung entwickeln eine Dysbiose, deren Folge eine abnorme mikrobielle Funktion ist, die dann zu den klinischen Symptomen beitragen kann. Der Dysbiose-Index ist bei vielen betroffenen Patienten ein hilfreiches diagnostisches Instrument. Da verschiedene Ursachen zugrunde liegen können, ist in vielen Fällen eine multimodale und oftmals langanhaltende Therapie erforderlich, um die Zusammensetzung der Mikrobiota wirksam zu verbessern.
Disclosure Statement
Der Autor ist Angestellter bei Texas A&M Gastrointestinal Laboratory, das Mikrobiom-Tests auf kommerzieller Basis anbietet.
Jan Suchodolski
DVM, PhD, Dip. ACVM
Vereinigte Staaten von Amerika
Dr. Jan Suchodolski ist außerordentlicher Professor für Kleintiermedizin, außerordentlicher Direktor für Forschung und Leiter der Mikrobiom-Wissenschaften am Gastrointestinalen Labor der Texas A&M University. Er promovierte zum Dr. med. vet. an der Universität Wien, Österreich, und zum PhD in Veterinärmikrobiologie an der Texas A&M University. Er ist durch das American College of Veterinary Microbiologists (ACVM) in Immunologie zertifiziert. Seine Forschung konzentriert sich auf die Entwicklung von Biomarkern für gastrointestinale Erkrankungen und therapeutische Ansätze zur Modulation der intestinalen Mikrobiota. Er ist Autor oder Co-Autor von mehr als 270 von Experten begutachteten Artikeln im Bereich der veterinärmedizinischen Gastroenterologie und Mikrobiomforschung.
Literatur
- Ziese AL, Suchodolski JS. Impact of changes in gastrointestinal microbiota in canine and feline digestive diseases. Vet. Clin. North. Am. Small. Anim. Pract. 2021;51(1):155-169.
- Whitfield-Cargile CM, Cohen ND, Chapkin RS, et al. The microbiota-derived metabolite indole decreases mucosal inflammation and injury in a murine model of NSAID enteropathy. Gut. Microbes 2016;7(3):246-261.
- Giaretta PR, Suchodolski JS, Blick AK, et al. Distribution of bile acid receptor TGR5 in the gastrointestinal tract of dogs. Histol. Histopathol. 2019;34(1):69-79.
- Li Q, Larouche-Lebel E, Loughran KA, et al. Gut dysbiosis and its associations with gut microbiota-derived metabolites in dogs with myxomatous mitral valve disease. MSystems. 2021;in press.
- Pavlidis P, Powell N, Vincent RP, et al. Systematic review: bile acids and intestinal inflammation-luminal aggressors or regulators of mucosal defence? Aliment. Pharmacol. Ther. 2015;42(7):802-817.
- Werner M, Suchodolski JS, Lidbury JA, et al. Diagnostic value of fecal cultures in dogs with chronic diarrhea. J. Vet. Intern. Med. 2021;35(1):199-208.
- Al Shawaqfeh MK, Wajid B, Minamoto Y, et al. A dysbiosis index to assess microbial changes in fecal samples of dogs with chronic inflammatory enteropathy. FEMS Microbiol. Ecol. 2017;93(11): DOI: 10.1093/femsec/fix136
- Pilla R, Gaschen FP, Barr JW, et al. Effects of metronidazole on the fecal microbiome and metabolome in healthy dogs. J. Vet. Intern. Med. 2020;34(5):1853-1866.
- Manchester AC, Webb CB, Blake AB, et al. Long-term impact of tylosin on fecal microbiota and fecal bile acids of healthy dogs. J. Vet. Intern. Med. 2019;33(6):2605-2617.
- Wang S, Martins R, Sullivan MC, et al. Diet-induced remission in chronic enteropathy is associated with altered microbial community structure and synthesis of secondary bile acids. Microbiome 2019;7(1):126.
- Chaitman J, Ziese AL, Pilla R, et al. Fecal microbial and metabolic profiles in dogs with acute diarrhea receiving either fecal microbiota transplantation or oral metronidazole. Front. Vet. Sci. 2020;7:192.
- Blake AB, Guard BC, Honneffer JB, et al. Altered microbiota, fecal lactate, and fecal bile acids in dogs with gastrointestinal disease. PLOS One 2019;14(10):e0224454.
- Isaiah A, Parambeth JC, Steiner JM, et al. The fecal microbiome of dogs with exocrine pancreatic insufficiency. Anaerobe 2017;45:50-58.
- Giaretta PR, Rech RR, Guard BC, et al. Comparison of intestinal expression of the apical sodium-dependent bile acid transporter between dogs with and without chronic inflammatory enteropathy. J. Vet. Intern. Med. 2018;32(6):1918-1926.
- Giaretta PR, Suchodolski JS, Jergens AE, et al. Bacterial biogeography of the colon in dogs with chronic inflammatory enteropathy. Vet. Pathol. 2020;57(2):258-265.
- Procoli F. Inflammatory bowel disease, food-responsive, antibiotic-responsive diarrhoea, protein losing enteropathy. Advance Small Anim. Care 2020;1:127-141.
- Bresciani F, Minamoto Y, Suchodolski JS, et al. Effect of an extruded animal protein-free diet on fecal microbiota of dogs with food-responsive enteropathy. J. Vet. Intern. Med. 2018;32(6):1903-1910.
- Torres-Henderson C, Suchodolski J, Lappin MR. Effect of Enterococcus faecium strain SF68 on gastrointestinal signs and fecal microbiome in cats administered amoxicillin-clavulanate. Top. Companion Anim. Med. 2017;32(3):104-108.
- Ziese AL, Suchodolski JS, Hartmann K, et al. Effect of probiotic treatment on the clinical course, intestinal microbiome, and toxigenic Clostridium perfringens in dogs with acute hemorrhagic diarrhea. PLOS One 2018;13(9):e0204691.
- White R, Atherly T, Guard B, et al. Randomized, controlled trial evaluating the effect of multi-strain probiotic on the mucosal microbiota in canine idiopathic inflammatory bowel disease. Gut Microbes 2017;8(5):451-466
- Westermarck E, Skrzypczak T, Harmoinen J, et al. Tylosin-responsive chronic diarrhea in dogs. J. Vet. Intern. Med. 2005;19(2):177-186.
- Westermarck E, Myllys V, Aho M. Effect of treatment on the jejunal and colonic bacterial flora of dogs with exocrine pancreatic insufficiency. Pancreas 1993;8:559-562.
- Werner M, Suchodolski JS, Straubinger RK, et al. Effect of amoxicillin-clavulanic acid on clinical scores, intestinal microbiome, and amoxicillin-resistant Escherichia coli in dogs with uncomplicated acute diarrhea. J. Vet. Intern. Med. 2020;34(3):1166-1176.
- Chaitman J, Gaschen F. Fecal microbiota transplantation in dogs. Vet. Clin. North. Am. Small Anim. Pract. 2021;51(1):219-233.
- Pereira GQ, Gomes LA, Santos IS, et al. Fecal microbiota transplantation in puppies with canine parvovirus infection. J. Vet. Intern. Med. 2018;32(2):707-711.
Andere Artikel in dieser Ausgabe
Auf sozialen Medien teilen