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Nachhaltige Arzneimittelverschreibung 3 / Verantwortungsvoller Einsatz von Arzneimitteln – Die Zukunft

Geschrieben von Fergus AllertonIan Ramsey und Rosemary Perkins

 

Was können wir tun, um den rationalen und verantwortungsvollen Einsatz von Arzneimitteln in der Kleintierpraxis weiterzuentwickeln? Notwendig ist eine nachhaltige und konzertierte Strategie für Praxisteams und Tierhalter*innen.

Ein Tierarzt, der eine Katze streichelt und ein Fläschchen mit Medikamenten in der Hand hält, während er mit dem Katzenbesitzer und seinem Kind spricht.

Kernaussagen

Group 15 1

Ein verantwortungsvoller Umgang mit Arzneimitteln kann durch Enablement-Methoden oder gesetzliche Bestimmungen erreicht werden.

Group 15 2

Hindernisse, die einer optimalen Arzneimittelverschreibung im Weg stehen, sind der Umgang mit den Erwartungen von Kund*innen und die Motivation von Tierärzt*innen, ihre Verschreibungsgewohnheiten kritisch zu überprüfen.

Group 15 3

Eine gute Führung innerhalb des tierärztlichen Berufsstandes – sowohl auf lokaler als auch auf nationaler Ebene – ist die Voraussetzung für eine Kultur des verantwortungsvollen Umgangs mit Arzneimitteln.

Group 15 4

Der routinemäßige Einsatz von Breitspektrum-Antiparasitika im Rahmen von Gesundheitsvorsorgeplänen für Kleintiere kann verhindern, dass Tierhalter*innen ausgewogene, evidenzbasierte Informationen erhalten.

Introduction

Veterinary antibiotic use can lead to the development of antimicrobial resistance (AMR) in animal and human populations, and there is also a growing body of evidence that small animal drugs may be impacting the wider environment. This final article in our three-part series suggests future steps to safeguard drug efficacy and environmental protection. 

The international outlook 

There are two main approaches to effective drug stewardship: 

a) enablement methods and b) legislative action. 

Enablement approaches are based on prescriber education. The role of guidelines to promote rational antimicrobial use has been discussed in the previous article in this series, but (as with all fallible beings) veterinarians may not adhere to the recommendations in these guidelines as often as they should (1,2). Furthermore, veterinarians typically report better prescribing protocols (i.e., in line with guidelines) than they exercise in practice (3,4). In the UK, the use of benchmarking (to detail how a practice’s antimicrobial use compared to other similar practices) was effective in bringing down prescription rates of highest-priority critically important antimicrobials, suggesting that comparison with peers may motivate altered prescribing patterns (5). Currently, most countries rely on the voluntary engagement with stewardship initiatives, and in theory at least, this approach preserves prescriber autonomy and protects animal welfare while maintaining access to essential treatments and promoting prudent use to safeguard future efficacy.

Legislative approaches, such as the European Union Regulation (2019/6), restrict access to certain antimicrobials; indeed, some European countries have already banned the use of a subset of EMA (European Medicine Agency) category A antimicrobials altogether (e.g., vancomycin and the carbapenems) and require bacterial culture and appropriate susceptibility test results before prescribing EMA category B drugs. There are some exclusions to this, such as cases where sampling could endanger the pet’s health, if the pathogen cannot be cultured, or where there is no suitable method for determining pathogen susceptibility. The objective of these laws is to reduce resistance rates to these antimicrobials in humans through eliminating their exposure to the animal reservoir. Future extension of the list of banned antimicrobials – to include fluoroquinolones or potentiated aminopenicillins – could limit therapeutic options for serious bacterial infections in pets, compromising their health and well-being.  

This type of legislation has prompted a significant increase in antimicrobial susceptibility testing (AST) submissions to veterinary diagnostic laboratories in both France and Germany (6,7). It has also been associated with a reduced use of fluoroquinolones and cefovecin (8). In contrast, an older study of UK veterinarians working without legal restriction found that AST was only performed in five (0.4%) of 1,148 instances of cefovecin use in cats (9). 

Certain parasiticides, including fipronil and imidacloprid, are currently available for general sale in some countries, meaning that they can be purchased without a prescription or consultation with a suitably qualified professional. There have been calls to review access to parasiticides and bring their supply under tighter control to reduce environmental contamination (10), and some countries (e.g., Switzerland) are taking action to limit access by making some of these products prescription-only (11).

Die Förderung eines vernünftigen Einsatzes antimikrobieller Mittel erfordert mehrere Strategien; die wichtigste davon ist die Aufklärung der Kunden.

Fergus Allerton

Die Messung der Antibiotikaanwendung

Die Messung der Anwendung (oder des Verkaufs) antimikrobieller Wirkstoffe ist entscheidend für die Beurteilung der Wirksamkeit von Strategien für einen verantwortungsvollen Antibiotikaeinsatz. Bis zum Jahr 2030 müssen sämtliche EU-Staaten standardisierte Daten über die Anwendung antimikrobieller Wirkstoffe bei allen Tierarten, einschließlich Kleintiere, melden. Bisher sind die Bemühungen zur Erfüllung dieser Anforderung allerdings von unterschiedlichem Erfolg gekrönt. So streikten zum Beispiel Tierärzt*innen in Spanien nach der Einführung eines neuen nationalen Datenerfassungssystems wegen der sehr hohen Geldbußen bei Nichteinhaltung (bis zu 1,2 Millionen Euro). Eine solche Datenerfassung ist aber noch mit zahlreichen weiteren Herausforderungen verknüpft, wie zum Beispiel der Berechnung der Menge der angewendeten antimikrobiellen Wirkstoffe und der Bestimmung der Größe der Gesamtpopulation, an die sie verabreicht werden. Im Vereinigten Königreich ermöglichen die vom UK Veterinary Medicines Directorate gesammelten Daten eine Überwachung nationaler Trends seit 2014 (Abbildung 1), und eine größere Detailgenauigkeit könnte in naher Zukunft auch die Auswirkungen der nationalen Maßnahmen zur Förderung der rationalen Antibiotikaanwendung aufzeigen.

Tierärztliche Praxen und Praxisgruppen können ebenfalls wertvolle Daten über den Einsatz von Antibiotika sammeln. Eine Verknüpfung von antimikrobiellen Wirkstoffen mit spezifischen Indikationen könnte dazu beitragen, künftige Schulungs- und Aufklärungsinitiativen maßzuschneidern, und zudem aufzeigen, wo eine unangemessene Überanwendung vorliegt. Voraussetzung für eine aussagekräftige Beurteilung der Angemessenheit eines Einsatzes antimikrobieller Wirkstoffe sind jedoch fallspezifische Details, die in den üblichen Patientenakten möglicherweise nicht vorhanden sind. Mit einem besseren Verständnis der klinischen Faktoren für die Verschreibung von Antibiotika könnte es aber dennoch gelingen, entsprechende Leitlinien so anzupassen, dass sie die Realität des tierärztlichen Praxisalltages widerspiegeln und gleichzeitig eine zielgerichtete Reduzierung der Antibiotikaanwendung fördern, wo immer dies möglich ist.

Grafik, die einen Rückgang der verkauften Antibiotika für Hunde und Katzen im UK zeigt.
Abbildung 1. Grafik aus dem Responsible Use of Medicines Alliance (Companion Animal and Equine) Report 2023 (wiedergegeben mit Genehmigung).

Überwachung von Antibiotika und Umwelt

Bei der Überwachung von Antibiotikaresistenzen hinkt der Kleintierbereich anderen Sektoren nach wie vor hinterher. Das European Antimicrobial Resistance Surveillance Network for Veterinary Medicine (EARS-Vet) sammelt entsprechende Überwachungsdaten aus den EU-Ländern (12), und im Vereinigten Königreich werden ähnliche Informationen gegenwärtig in einem von der Universität Liverpool geleiteten Projekt erfasst. Ziele dieser Programme sind, ein klareres Bild der Resistenztrends zu liefern, eine fundiertere Entscheidungsfindung zu ermöglichen und die allgemeinen Bemühungen für einen rationalen Antibiotikaeinsatz zu verbessern. Voraussetzung für eine sinnvolle Nutzung dieser beiden Programme ist jedoch eine Harmonisierung von Testverfahren und Berichtsmethoden.

Die Überwachung der Umwelt hinsichtlich häufig eingesetzter Antiparasitika wie Fipronil und Imidacloprid ist von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung des Kontaminationsgrades und der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen. Die Ausweitung der Forschung zu verschiedenen Orten, an denen Antiparasitika aufgenommen und gespeichert bzw. freigesetzt werden, wie zum Beispiel Böden, ist von entscheidender Bedeutung, um eine „bedauerliche Substitution“ zu verhindern, bei der ein weit verbreiteter Einsatz einer schädlichen Chemikalie durch die Anwendung einer anderen Substanz mit ähnlichen oder noch schlimmeren Auswirkungen ersetzt wird. Darüber hinaus ist die Überwachung von Resistenzen gegen Antiparasitika bei Kleintieren von entscheidender Bedeutung für einen langfristigen Erhalt der Wirksamkeit dieser Substanzen. 

Künftige Ziele für die Entwicklung von Leitlinien

Zurzeit werden weitere Leitlinien erarbeitet, die systematische Analysen der vorhandenen Evidenzbasis berücksichtigen und detailliertere Orientierungshilfen für den verantwortungsvollen Einsatz von Antiparasitika bei Kleintieren geben. So hat das European Network for the Optimisation of Veterinary Antimicrobial Therapy (ENOVAT) Empfehlungen für die Behandlung der akuten Diarrhoe bei Hunden veröffentlicht, und Leitlinien für die antimikrobielle Prophylaxe in der Chirurgie stehen kurz vor der Fertigstellung. Diese Leitlinien und Empfehlungen sind das Ergebnis einer internationalen Zusammenarbeit zur Förderung von gemeinsamem Lernen und Erfahrungsaustausch und werden nach einer standardisierten Methodik erstellt (AGREE – Appraisal of Guidelines for Research and Evaluation). Dies gewährleistet Transparenz und die Einbeziehung sämtlicher relevanter Interessengruppen, wie zum Beispiel den Einsatz von Tierhalter*innen für eine Validierung der vorgeschlagenen Outcomes (z. B. welche Veränderung in der Dauer einer Diarrhoe ist für einen Tierhalter von Bedeutung?). Künftige Leitlinien müssen anpassungsfähig bleiben und neue Evidenzen jederzeit über Online- oder App-basierte Aktualisierungen aufnehmen. Ein erstes Beispiel für diesen Ansatz ist die Firstline-App des Ontario Veterinary College*.

*https://firstline.org/#:~:text=Firstline%20is%20a%20health%20technology,With%20you%2C%20we%20win! 

Die Rolle von Ausbildung und Schulung

Die Ausbildung und Schulung von Tierhalter*innen und veterinärmedizinischem Personal spielt eine entscheidende Rolle bei der Überwindung zahlreicher Hindernisse, die einer optimalen Arzneimittelverordnung im Wege stehen. Die Förderung eines rationalen Einsatzes antimikrobieller Wirkstoffe basiert immer auf mehreren Strategien, deren wichtigste die Aufklärung der Tierhalter*innen ist. Von entscheidender Bedeutung ist dabei das Management der Erwartungen von Kund*innen, die eine tierärztliche Praxis besuchen (Abbildung 2). Sind Tierhalter*innen gut informiert über die Risiken eines übermäßigen Einsatzes von Arzneimitteln (z. B. Antibiotikaresistenz und Umweltkontamination), besteht die Chance, ihre Erwartungen mit der „Best Practice“ in Einklang zu bringen. 

Solche Gespräche können jedoch sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Insbesondere bei der Erstberatung für Hunde- oder Katzenwelpen oder bei der Erstellung eines Gesundheitsvorsorgeplans können ausführliche Konsultationen erforderlich sein, um eine gemeinsame Entscheidungsfindung zu ermöglichen und unnötige Verschreibungen von Arzneimitteln zu vermeiden. Tierhalter*innen erwarten oft sofortige Maßnahmen und sind nicht selten der Meinung, dass Antibiotika bei vielen häufigen Erkrankungen unbedingt erforderlich sind. Die Verschreibung oder Abgabe eines Arzneimittels wird von Tierhalter*innen deshalb häufig gleichgesetzt mit einer proaktiven medizinischen Versorgung. In dieser Situation besteht die Gefahr, dass sich Tierärzt*innen unter Druck gesetzt fühlen, Antibiotika oder andere Arzneimittel unnötigerweise zu verschreiben. Mehrere Studien kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass tierärztlicher Rat von Tierhalter*innen generell respektiert wird und sich viele Kund*innen heute der Problematik von Antibiotikaresistenzen durchaus bewusst sind (13).

Ein Tierarzt, der eine Katze streichelt und ein Fläschchen mit Medikamenten in der Hand hält, während er mit dem Katzenbesitzer und seinem Kind spricht.
Abbildung 2. Die Beratung und Aufklärung von Tierhalter*innen ist der Schlüssel zu einem rationalen Einsatz antimikrobieller Wirkstoffe. Wenn Tierhalter*innen gut informiert sind über die Risiken eines übermäßigen Einsatzes von Arzneimitteln (Antibiotikaresistenzen und Umweltkontamination), sollten sie verstehen, wann Antibiotika eingesetzt werden können und wann nicht. © Shutterstock

Weitere Hilfsmittel, wie zum Beispiel spezielle „Non-Prescription“-Formulare (Abbildung 3) können dazu beitragen, Tierhalter*innen vom Prinzip der verantwortungsvollen Arzneimittelanwendung zu überzeugen und eine Konsultation ohne die Verschreibung von Antibiotika abzuschließen. Ein weiteres Beispiel ist das Schulungsvideo des ENOVAT zur Aufklärung von Tierhalter*innen, mit dessen Hilfe das Bewusstsein für die Auswirkungen von Antibiotikaresistenz nachweislich geschärft werden kann. So sind Tierhalter*innen, die sich das Video vor der Konsultation ansehen, eher bereit, Maßnahmen im Sinne eines rationalen und verantwortungsbewussten Antibiotikaeinsatzes zu akzeptieren* (Abbildung 4) (14). Diese frei verfügbaren Hilfsmittel können online abgerufen werden**.

*https://www.youtube.com/watch?v=4ApEAfN4dWU

** www.bsavalibrary.com/content/book/10.22233/9781913859312 


Ein Screenshot aus einem Video, das die Schritte aufzeigt, die jeder Einzelne unternehmen kann, um einen verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika zu verbessern.
Abbildung 4. Screenshot aus dem Schulungsvideo, das erstellt wurde, um das Bewusstsein der Besitzer für den verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika zu verbessern (14). © Enovat

Wichtig sind zudem Hilfsmittel und Informationen zur Unterstützung von Tierhalter*innen bei der korrekten Verabreichung von Arzneimitteln. Dies kann zu einer Verringerung der Abhängigkeit von langzeitwirksamen Antibiotika beitragen, die möglicherweise lediglich aus Gründen der Bequemlichkeit gewählt werden. Viele Tierhalter*innen geben zwar an, in der Lage zu sein, ihren Tieren Tabletten und flüssige Arzneimittel zu verabreichen, praktische Tierärzt*innen sehen dies aber oft anders (13). So reicht es oft nicht, Tierhalter*innen die Verabreichung von Tabletten einmal praktisch zu demonstrieren (Abbildung 5), vielmehr sollte nach Einleitung der antimikrobiellen Therapie eine routinemäßige Kontaktaufnahme erfolgen, um etwaige Schwierigkeiten umgehend beheben zu können. Die Schulung von Tierhalter*innen erfordert aber auch innerhalb des Praxisteams eine kontinuierliche berufliche Fort- und Weiterbildung und unterstützende Netzwerke, wie weiter unten beschrieben.

*www.rumacae.org.uk 


Ein Tierarzt verabreicht einer Katze eine Tablette.
Abbildung 5. Tierhalter*innen müssen in der Lage sein, Arzneimittel richtig zu verabreichen. Hier demonstriert eine Tierärztin die schnelle und sichere Eingabe einer Tablette bei einer Katze. © Shutterstock

Kampagnen wie die britische „Veterinary Antibiotic Amnesty“* fördern das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Umweltschutz, indem sie Tierhalter*innen ermutigen, alle nicht verbrauchten oder abgelaufenen Antibiotika zurückzugeben (15). Dies verhindert eine Verunreinigung der Umwelt und die Entwicklung antimikrobieller Resistenzen infolge einer unsachgemäßen Entsorgung von Antibiotika. Die Organisatoren stellen tierärztlichen Praxen ein Kampagnen-Toolkit mit einer breiten Palette von Hilfsmitteln und Anschauungsmaterial zur Verfügung. Dazu gehören unter anderem Poster, Merkblätter für Tierhalter*innen, Leitlinien für die Durchführung der Kampagne und vorgefertigte Inhalte für Praxis-Newsletter und Social-Media-Kanäle. Die Veterinary Antibiotic Amnesty bietet zudem eine Plattform, um mit Tierhalter*innen über die Problematik eines verantwortungsbewussten Antibiotikaeinsatzes ins Gespräch zu kommen. 

* www.rumacae.org.uk 

Fortbildung von Tierärzt*innen

Die Vermittlung von Wissen im Bereich der rationalen Anwendung von Antibiotika ist essenziell – vom Tiermedizinstudium bis hin zur Fort- und Weiterbildung erfahrener Praktiker*innen. Denn die Voraussetzung für einen vernünftigen Umgang mit antimikrobiellen Arzneimitteln sind tiefgreifende Kenntnisse in den Bereichen Mikrobiologie, Pharmakologie und Epidemiologie sowie gute Grundkenntnisse in Sachen Kundenmanagement. Einfache Hilfsmittel wie Eselsbrücken und Gedächtnisstützen (z. B. SODAPOP = Source and Organism, Decide to treat, Antimicrobials, Patient, Options, and Plan) erweisen sich dabei oft als gute Lernhilfen (16). Heute weiß man, dass die bloße Bereitstellung von Leitlinien nur wenig Einfluss auf die Häufigkeit von Antibiotikaresistenzen in primärversorgenden tierärztlichen Praxen oder Fachpraxen hat (1, 2). Praktische Interventionen haben dagegen nachweislich positive Auswirkungen (17), und für klinisch tätige Tierärzt*innen im akademischen Bereich wurden erst kürzlich zukünftige Richtungen für die klinischen Forschung im Bereich Antibiotikaresistenzen festgelegt (18). Inzwischen gibt es zahlreiche pädagogische Hilfsmittel, und einige Beispiele sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Tabelle 1. Einige Beispiele für Ressourcen zur Aus- und Weiterbildung. Diese Liste ist bei weitem nicht vollständig, und online stehen zahlreiche weitere gute Ressourcen zur Verfügung.

Ressource Anbieter des Kurses Link
Antimicrobial resistance and stewardship initiative University of Minnesota https://arsi.umn.edu
VetTeamsAMR RCVS knowledge https://knowledge.rcvs.org.uk/amr/vetteamamr
Pathway of AMR for veterinary services professional The Fleming Fund and Open University https://www.open.edu/openlearncreate/course/view.php?id=5352
VetAMS online learning program AMR Vet collective https://www.vetams.org
Antimicrobial stewardship in veterinary practice British Society for Antimicrobial Chemotherapy https://www.futurelearn.com/courses/antimicrobial-stewardship-in-veterinary-practice

 

Darüber hinaus sind aber einige weitere Faktoren zu berücksichtigen, die sich auf die Verschreibung von Arzneimitteln durch Tierärzt*innen auswirken können:

  1. Zeitliche Beschränkungen: Begrenzte Konsultationszeiten können gründliche Untersuchungen, detaillierte Diagnosen oder relevante Risikobewertungen verhindern, was dazu führt, dass viele Arzneimittel ohne adäquate klinische Rechtfertigung verordnet werden. 
  2. Angst vor negativem Outcome: Die Angst vor Fehldiagnosen oder Untertherapien und vor der möglichen Unzufriedenheit oder Beschwerden von Kund*innen können zu einem umfassenderen oder aggressiveren Einsatz bestimmter Arzneimittel führen, von denen – oft fälschlicherweise – angenommen wird, dass sie nur wenige Nebenwirkungen haben (z. B. Antibiotika / Antiparasitika).
  3. Etablierte Verschreibungsgewohnheiten: Langjährige Verschreibungsgewohnheiten und der Einfluss berufserfahrener Kolleg*innen, insbesondere auf frisch approbierte Tierärzt*innen, können dafür sorgen, dass suboptimale Praktiken in vielen Bereichen der klinischen Praxis fortbestehen. Ein hohes Maß an Unterstützung ist erforderlich, um eingefahrene Verschreibungsgewohnheiten aufzubrechen und auf angemessenere Praktiken umzustellen.

Es ist auch wichtig, Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um Tierhalter*innen bei der korrekten Verabreichung von Medikamenten zu unterstützen; dies kann die Abhängigkeit von lang wirkenden antimikrobiellen Mitteln verringern, die möglicherweise aus Bequemlichkeit gewählt werden.

Ian Ramsey

Leadership: Die Rolle einer guten Führung

Effektive Führung in der Tiermedizin ist unerlässlich für die Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen, Umweltkontaminationen und übermäßigem Einsatz von Antiparasitika. Wichtig sind dabei konzertierte Anstrengungen zur Förderung eines verantwortungsvollen Arzneimitteleinsatzes. Durch die Unterstützung von Aus- und Weiterbildung, die praxisinterne Umsetzung von Richtlinien und das Eintreten für einen verantwortungsvollen Einsatz antimikrobieller Wirkstoffe können Führungskräfte in der Tiermedizin übermäßige Arzneimittelverschreibungen deutlich reduzieren und gleichzeitig die Tiergesundheit sowie die öffentliche Gesundheit schützen.

In der tierärztlichen Praxis spielt gute Führung eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, Wandel voranzutreiben, Programme für den verantwortungsvollen Umgang mit Arzneimitteln (als Teil einer größeren Nachhaltigkeitsinitiative) praktisch umzusetzen und eine Kultur der Verantwortlichkeit und Weiterbildung zu fördern. Leiter*innen einer Praxis können in diesem Sinne handeln, indem sie klare Richtlinien für die Arzneimittelverschreibung auf der Grundlage evidenzbasierter Empfehlungen vorgeben, Schulungen und Fortbildung anbieten und eine Kultur des rationalen und verantwortungsbewussten Einsatzes von Arzneimitteln fördern. Richtlinien, die für die gesamte Praxis gelten, stellen sicher, dass Arzneimittel mit Bedacht, nur bei tatsächlicher Notwendigkeit und stets im Zusammenhang mit kontextabhängigen diagnostischen Untersuchungen eingesetzt werden. Eine Kultur der Verantwortlichkeit und Reflexion beinhaltet routinemäßige klinische Audits, Fallbesprechungen und die Überwachung von Mustern und Trends der Arzneimittelverschreibung in der Praxis, um so Bereiche mit entsprechendem Verbesserungspotenzial zu ermitteln. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Förderung eines offenen Dialogs, der dazu führt, dass sich Tierärzt*innen darin unterstützt fühlen, verantwortungsvolle Verschreibungsentscheidungen zu treffen, ohne das Gefühl zu haben, dem Druck von Seiten der Kund*innen nachgeben zu müssen. Kontinuierliche Fort- und Weiterbildung ist für eine erfolgreiche Reduzierung unangemessener Arzneimittelverschreibungen ebenfalls von zentraler Bedeutung. Führungskräfte sollten entsprechende Schulungsprogramme für Tierärzt*innen und TFAs anbieten, um sicherzustellen, dass alle Teammitglieder die mit der unangemessenen Verschreibung von Arzneimitteln verbundenen Risiken verstehen und die Bedeutung alternativer Behandlungsstrategien kennen, wie zum Beispiel der Infektionsprävention durch Impfung und verbesserte Haltungsbedingungen oder der Früherkennung durch Routineüberwachung.

Eine wichtige Aufgabe von Führungskräften ist zudem die Förderung der Einhaltung nationaler und internationaler Richtlinien für den verantwortungsbewussten Arzneimitteleinsatz, wie sie von den einschlägigen Berufsverbänden vorgegeben werden. Darüber hinaus können Führungskräfte zusammen mit anderen Playern aber auch auf der größeren politischen Bühne für einen rationalen Arzneimitteleinsatz eintreten und eine wichtige Rolle bei der Beeinflussung von Industriestandards und Industriepolitik spielen. Durch Kooperation mit Berufsverbänden, Aufsichtsbehörden und Forschungseinrichtungen wird ein wichtiger Beitrag zu nationalen Nachhaltigkeitsstrategien geleistet und sichergestellt, dass tierärztliche Praxen und Kliniken sich stets an der „Best Practice“ für einen rationalen Einsatz von Arzneimitteln orientieren.

Die Ausweitung der Forschung zu verschiedenen Senken und Quellen von Antiparasitika-Emissionen, wie z. B. Bodenverschmutzung, ist von entscheidender Bedeutung, um eine 'bedauerliche Substitution' zu verhindern, bei der der weit verbreitete Einsatz einer schädlichen Chemikalie durch eine andere mit ähnlichen oder schlimmeren Auswirkungen ersetzt wird.

Rosemary Perkins

Gesundheitsvorsorgepläne im Abonnement

Hund- und Katzenhalter*innen erwarten heute oft eine routinemäßige Behandlung ihrer Tiere mit Breitspektrum-Antiparasitika, wie sie häufig im Rahmen von „Gesundheitsvorsorgeplänen“ angeboten wird, die von vielen tierärztlichen Praxen propagiert werden (19). In einigen Fällen schließen Tierhalter*innen solche Vorsorgepläne ab, ohne die Gelegenheit zu haben, mit ihrem Tierarzt oder ihrer Tierärztin über eine individuelle Risikobewertung bezüglich eines Parasitenbefalls zu sprechen oder ohne sich über den verantwortungsvollen Einsatz von Antiparasitika informieren zu können. Angestellten Tierärzt*innen werden von Praxisinhaber*innen gelegentlich Anreize geboten, die sich nach der Anzahl der Abschlüsse solcher Pläne richten, und Tierärzt*innen könnten sich unter Druck gesetzt fühlen, entsprechende Arzneimittel zu verschreiben, da die Kund*innen im Rahmen eines Vorsorgeplans bereits dafür bezahlt haben und entsprechende Erwartungen haben (20). Einmal verschrieben, werden solche Arzneimittel dann aus Gründen der Annehmlichkeit für die Praxis und die Tierhalter*innen für Wiederholungsbehandlungen automatisch weiter rezeptiert oder abgegeben, während die Compliance oft nicht weiter kontrolliert wird. Dies kann letztlich verhindern, dass Tierhalter*innen ausgewogen und evidenzbasiert informiert werden und somit nicht in der Lage sind, fundierte Entscheidung zu treffen. Zudem wird dadurch die klinische Freiheit von Tierärzt*innen eingeschränkt. Es ist deshalb dringend notwendig, diese Kultur zu reformieren und Wege für die Herstellung einer guten Balance zwischen präventiver Behandlung und evidenzbasierter Risikobewertung zu finden, damit ein übermäßiger Einsatz von Arzneimitteln vermieden wird.

Schlussfolgerung

Veterinärmediziner*innen verfügen über zahlreiche Instrumente zur Unterstützung eines rationellen Umgangs mit antimikrobiellen Arzneimitteln. Die Nutzung dieser Tools muss jedoch verstärkt und weiter gefördert werden, um Antibiotikaresistenzen und Umweltschäden wirksam einzudämmen. In die laufende Entwicklung von Leitlinien müssen aktuelle Evidenzen einfließen, sobald sie verfügbar werden. Politische Entscheidungsträger arbeiten daran, den Einsatz von Antibiotika und die Prävalenz von Antibiotikaresistenzen weiter zu quantifizieren. Wenn freiwillige Programme zur Förderung des rationalen Arzneimitteleinsatzes nicht zu einer merklichen Verbesserung der Ergebnisse führen, könnten restriktive Maßnahmen folgen. Es besteht also dringender Handlungsbedarf und – wie beim Klimawandel – zählt jede Anstrengung. Um es mit den Worten von Greta Thunberg zu sagen: „Keiner ist zu klein, um etwas zu bewirken“. Tierärzt*innen und Tierhalter*innen müssen zusammenarbeiten, um die Umwelt zu schützen und die Gesundheit von Mensch und Tier auch in Zukunft zu sichern. Durch proaktive Optimierung des Einsatzes von Antibiotika und Antiparasitika können Tierärzt*innen entscheidend dazu beitragen, dass keine restriktiven Gesetze erlassen werden müssen, die den Zugang zu wichtigen Behandlungen einschränken könnten.

 

Literatur

  1. Robbins SN, Goggs R, Kraus-Malett S, et al. Effect of institutional antimicrobial stewardship guidelines on prescription of critically important antimicrobials for dogs and cats. J. Vet. Intern. Med. 2024;38(3):1706-1717.
  2. Del Solar Bravo RE, Sharman MJ, Raj J, et al. Antibiotic therapy in dogs and cats in general practice in the United Kingdom before referral. J. Small Anim. Pract. 2023;64(8):499-506.
  3. Wayop IYA, Wagenaar JA, de Vet E, et al. The development and application of performance indicators to assess veterinarians‘ adherence to the clinical practice Streptococcus suis in weaned pigs guideline. BMC Vet. Res. 2025;21(1):101.
  4. Bollig ER, Granick JL, Webb TL, et al. A quarterly survey of antibiotic prescribing in small animal and equine practices – Minnesota and North Dakota, 2020. Zoonoses Pub. Health. 2022;69(7):864-874.
  5. Singleton DA, Rayner A, Brant B, et al. A randomised controlled trial to reduce highest priority critically important antimicrobial prescription in companion animals. Nat. Commun. 2021;12(1):1593.
  6. Prouillac C. Use of antimicrobials in a French veterinary teaching hospital: A retrospective study. Antibiotics (Basel). 2021;10(11);1369.
  7. Moerer M, Merle R, Bäumer W. A cross-sectional study of veterinarians in Germany on the impact of the TÄHAV Amendment 2018 on antimicrobial use and development of antimicrobial resistance in dogs and cats. Antibiotics (Basel). 2022;11(4);484.
  8. Moerer M, Lübke-Becker A, Bethe A, et al. Occurrence of antimicrobial resistance in canine and feline bacterial pathogens in Germany under the impact of the TÄHAV Amendment in 2018. Antibiotics (Basel). 2023;12(7);1193.
  9. Burke S, Black V, Sánchez-Vizcaíno F, et al. Use of cefovecin in a UK population of cats attending first-opinion practices as recorded in electronic health records. J. Feline Med. Surg. 2017;19(6):687-692.
  10. Loeb J. Call to reclassify some pet ectoparasiticides. Vet. Rec. 2024;195(2):1.
  11. Loeb J. Switzerland to tighten pet parasiticides rules? Vet. Rec. 2025;196(7):251.
  12. Lagrange J, Amat JP, Ballesteros C, et al. Pilot testing the EARS-Vet surveillance network for antibiotic resistance in bacterial pathogens from animals in the EU/EEA. Front. Microbiol. 2023;14:1188423.
  13. Cazer CL, Lawless JW, Frye A, et al. Divergent veterinarian and cat owner perspectives are barriers to reducing the use of cefovecin in cats. J. Am. Vet. Med. Assoc. 2023;261(12):1810-1819.
  14. Wright E, Jessen LR, Tompson A, et al. Influencing attitudes towards antimicrobial use and resistance in companion animals – the impact on pet owners of a short animation in a randomized controlled trial. JAC Antimicrob. Resist. 2024;6(3):dlae065.
  15. Allerton F, Jamieson C, Aggarwal R, et al. An antibiotic amnesty can be a One Health tool to tackle antimicrobial resistance. Nat. Med. 2023;29(5):1046-1047.
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  19. Bagster A, Elsheikha H. Perception of UK companion animal veterinarians on risk assessment based parasite control. Vet. Parasitol. Reg. Stud. Reports. 2022;34:100774.
  20. Loeb J. Are pet health plans taking away vets’ clinical freedom? Vet. Rec. 2025;196:87.
Fergus Allerton

Fergus Allerton

BSc, BVSc, CertSAM, Dip. ECVIM-CA, MRCVS, Willows Veterinary Centre & Referral Service, Solihull, UK

Vereinigtes Königreich von Großbritannien

Dr. Allerton schloss sein Tiermedizinstudium 2004 an der University of Bristol ab und absolvierte nach sechs Jahren in der privaten Kleintierpraxis eine Residency im Bereich Innere Medizin an der Universität Lüttich in Belgien. Zurzeit arbeitet er in einem führenden Überweisungszentrum im Vereinigten Königreich und ist Mitglied des Therapeutics Committee der WSAVA. Dr. Allerton ist aktiv beteiligt am Veterinary Pharmaceutical Stewardship Programm bei ENOVAT (European Network for Optimization of Veterinary Antimicrobial Treatment) und wirkte an der Entwicklung der jüngsten PROTECT ME Antibiotika-Leitlinien mit.

Ian Ramsey

Ian Ramsey

BVSc, PhD, DSAM, Dip. ECVIM-CA, FHEA, FRCVS, University of Glasgow Small Animal Hospital, Glasgow, UK

Vereinigtes Königreich von Großbritannien

Dr. Ramsey ist Professor für Small Animal Medicine an der Veterinary School der Glasgow University. Er schloss sein Tiermedizinstudium an der Liverpool Veterinary School ab, promovierte (PhD) in Glasgow und absolvierte eine Residency in Cambridge. Er besitzt das britische (RCVS) und europäische Diplom in Small Animal Medicine und veröffentlicht breitgefächert zu verschiedenen Aspekten der Kleintiermedizin. Im Jahr 2015 wurde er für seine Beiträge zur Kleintiermedizin mit dem BSAVA Woodrow Award ausgezeichnet, und 2016 zum Fellow of the Royal College of Veterinary Surgeons ernannt. Dr. Ramsey ist ehemaliger Präsident der BSAVA, und übt zahlreiche Funktionen in verschiedenen Berufsverbänden aus, einschließlich der Responsible Use of Medicines Alliance (Companion Animal and Equine) (RUMA-CAE). Seit 2022 ist er für die Kampagne Antibiotic Amnesty tätig.

Rosemary Perkins

Perkins Rosemary

BVSc, PGCertSAOpth, PhD, MRCVS, School of Life Sciences, University of Sussex, Brighton, UK

Vereinigtes Königreich von Großbritannien

Dr. Perkins ist Tierärztin und Wissenschaftlerin an der University of Sussex. Sie promovierte (PhD) zum Thema Umweltemissionen durch Parasitizide bei Kleintieren und ist Autorin zahlreicher Veröffentlichungen zu diesem Thema, einschließlich Verschmutzung von Gewässern durch Eintrag von Kleintierparasitiziden über Haushaltsabwasser und Schwimmen. Neben ihrer Forschung praktiziert sie als Tierärztin für Kleintiere. Dr. Perkins ist aktives Mitglied der Imperial College PREPP Group (Producing Rational Evidence for Parasiticide Prescription) und der Arbeitsgruppe VetSustain’s Pet Parasiticides.