Ungeklärter Gewichtsverlust bei der Katze
Die „schrumpfende Katze“ ist ein häufiges Szenario in der Kleintierpraxis; dieser Artikel zeigt eine logische Herangehensweise an eine Katze mit unerklärlichem Gewichtsverlust.
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Kernaussagen
Ein ungeklärter Gewichtsverlust sollte umgehend untersucht werden, da er in der Regel auf eine signifikante Veränderung der Gesundheit der Katze hinweist.
Subtile Veränderungen bei den routinemäßigen Laborwerten können wichtige Hinweise auf die Ursache eines ungeklärten Gewichtsverlusts liefern.
Gastrointestinale Erkrankungen sind eine häufige Ursache für Gewichtsverlust bei Katzen, gehen aber nicht unbedingt mit offensichtlichen Symptomen einer Dysfunktion des Verdauungstrakts wie Erbrechen oder Diarrhoe einher.
Die Ernährungsbedürfnisse der Katze müssen evaluiert und individuell berücksichtigt werden, bis die zugrundeliegende Ursache des Gewichtsverlusts ermittelt ist.
Einleitung
Eine Katze mit ungeklärtem Gewichtsverlust ist ein vertrautes Szenario in der Kleintierpraxis. Für den Tierarzt oder die Tierärztin können solche Fälle eine große Herausforderung darstellen und sich nicht selten als sehr frustrierend erweisen. Dieser Artikel skizziert eine logische Herangehensweise an solche Situationen, in denen zunächst keine offensichtliche Diagnose erkennbar ist. Der Schwerpunkt liegt dabei auf einem kostenbewussten und schrittweisen Vorgehen. Box 1 zeigt ein typisches Szenario.
Box 1. Die Katze mit ungeklärtem Gewichtsverlust – ein typisches Szenario.
Vorstellung des PatientenEs ist 10 Uhr an einem geschäftigen Montagmorgen, und Frau Schmitt kommt mit ihrem 8-jährigen (kastrierten) Kater Freddie für den jährlichen Gesundheitscheck in die Praxis. Freddies klinische Untersuchung verläuft unauffällig, abgesehen von einer Parodontalerkrankung 2. Grades. Die Ergebnisse der Routinelaboruntersuchungen* liegen innerhalb der Referenzbereiche, Freddie hat aber seit seinem letzten Besuch 0,5 kg an Gewicht verloren. *Großes Blutbild; biochemisches Serumprofil; Harnanalyse mit Sedimentuntersuchung; Kotflotation; Gesamtthyroxinkonzentration; FeLV- und FIV-Tests Follow-upBei weiteren Befragungen wurde festgestellt, dass Freddie eine Trockenerhaltungsnahrung für ältere Katzen erhielt, die ad libitum angeboten wurde. Eine veränderte Nahrungsaufnahme war der Besitzerin nicht aufgefallen, sie konnte die tatsächlich aufgenommene Menge aber nicht genau angeben. Erbrechen oder eine Veränderung der Kotkonsistenz wurden nicht festgestellt. Das Serumalbumin war jedoch von 3,6 g/dl vor einem Jahr auf jetzt 3,1 g/dl gesunken (Referenzintervall: 2,8-3,6 g/dl). Zur Klärung des Verdachts auf eine zugrundeliegende gastrointestinale Erkrankung wurden Folsäure, Cobalamin und PLI im Serum gemessen. Alle Werte lagen innerhalb ihrer Referenzintervalle, aber Cobalamin wurde mit 388 µg/dl als fraglich eingestuft (Cobalamin- Normalwerte im Serum variieren je nach Referenzlabor). Die abdominale Ultraschalluntersuchung war unauffällig, das allgemeine Erscheinungsbild und die Dicke der Dünndarmwand waren physiologisch. Nach einem ausführlichen Gespräch mit der Besitzerin wurde beschlossen, Freddie zu anästhesieren für eine Zahnprophylaxe mit intraoralen Röntgenaufnahmen und für eine endoskopische Untersuchung des oberen und unteren Verdauungstrakts sowie eine Biopsie von Magen, Duodenum, Ileum und Kolon. Eine geringgradige Parodontalerkrankung wurde bestätigt und behandelt. Bei der histopathologischen Untersuchung des Magens und des Duodenums wurde ein geringgradiges lymphoplasmazelluläres Infiltrat festgestellt, und in den Biopsien des Ileums und des Kolons wurde ein histiozytäres Infiltrat mit intraläsionalen Hefen festgestellt (die morphologisch Histoplasma capsulatum entsprachen). Die Diagnose der Histoplasmose wurde anschließend durch einen enzymatischen Immunoassay an einer Harnprobe bestätigt, und Freddie wurde erfolgreich mit Itraconazol behandelt. |
Schritt 1: Erneute Erhebung des Vorberichts
Besitzer und Besitzerinnen können sich an abnorme Verhaltensweisen ihrer Katze gewöhnen und die Bedeutung klinischer Symptome, wie zum Beispiel Erbrechen, falsch einschätzen oder unterschätzen. So ist es gar nicht ungewöhnlich, dass ein Besitzer sagt: „Fluffy scheint in Ordnung zu sein“, wenn er über eine Katze spricht, die sich regelmäßig wöchentlich erbricht. Ebenso kann es vorkommen, dass ein Besitzer oder eine Besitzerin die Bedeutung einer subtilen Veränderung der Kotkonsistenz oder einer Zunahme der Harnausscheidung nicht richtig einschätzt. Ein weiteres Beispiel ist gelegentlicher Husten, dessen Ursache Haarballen sein können, der aber während des Anamnesegesprächs zum Thema Erbrechen in der Sprechstunde gänzlich unerwähnt bleibt. Mit Hilfe einer sorgfältigen Überprüfung des Vorberichts unter Verwendung offener Fragen, um möglichst detailliertere Antworten zu erhalten, können Probleme erkannt werden, die den Gewichtsverlust erklären und/oder weiterführende Untersuchungen erforderlich machen.
Schritt 2: Wiederholung der klinischen Untersuchung
Eine Wiederholung der klinischen Untersuchung bei einer Katze mit ungeklärtem Gewichtsverlust kann sehr hilfreich sein, da subtile Veränderungen bei der initialen Untersuchung möglicherweise übersehen, ignoriert oder schlicht unterschätzt wurden. Wurde es zum Beispiel bei der ersten Untersuchung versäumt, den Muscle Condition Score zu notieren, sollte dieser jetzt ermittelt und aufgezeichnet werden. Die Untersuchung der Maulhöhle kann sich bei einer nicht sedierten Katze als schwierig erweisen, allein die Adspektion der Zähne und der Zahnfleischränder kann jedoch signifikante pathologische Veränderungen erkennen lassen. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass eine signifikante und folgenschwere Zahnerkrankung allein mit einer oberflächlichen, visuellen Untersuchung nicht ausgeschlossen werden kann, denn das tatsächliche Ausmaß schmerzhafter Zustände, wie z. B. einer Zahnresorption, kann letztlich nur durch Röntgenuntersuchungen sicher festgestellt werden (Abbildung 1) [1]. Eine gründliche ophthalmologische Untersuchung sollte durchgeführt werden, um nach Symptomen einer Uveitis oder Chorioretinitis zu suchen. Diese Befunde sind unspezifischer Natur, sie werden jedoch häufig bei Katzen mit Pilz- oder Protozoeninfektionen beobachtet (Abbildung 2) [2]. Jegliche Hautknoten und subkutane Knoten sollten sorgfältig untersucht werden, insbesondere wenn sie in der Nachbarschaft der Gesäugeleisten festgestellt werden. Ratsam ist es zudem, die Katze in der Bewegung beim Gehen zu beobachten, um auf etwaige neurologische Symptome und Symptome von Erkrankungen der Gelenke oder der Wirbelsäule zu achten. Denn oft untersuchen wir unsere Katzenpatienten ausschließlich auf dem Tisch und übersehen daher möglicherweise Veränderungen im Gangbild, in der Koordination oder in der Muskelkraft.

Schritt 3: Erhebung eines sorgfältigen diätetischen Vorberichts
Es sollten möglichst detaillierte Informationen über die Menge und die Art der täglich angebotenen und verzehrten Nahrung gesammelt werden, um die tatsächliche Kalorienaufnahme der Katze zu ermitteln. Leider kann sich die Erhebung dieser Art von Informationen als schwierig erweisen, da vielen Katzen Trockenfutter ad libitum angeboten wird, und Besitzer oft gar nicht wissen, wie viel Futter ihre Katzen täglich tatsächlich zu sich nehmen. Unter diesen Umständen sollte der Besitzer gebeten werden, die Tagesrationen sorgfältig abzumessen oder abzuwiegen, und die von der Katze nicht aufgenommene Menge über mehrere 24-Stunden-Zeiträume exakt zu bestimmen.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind gezielte Fragen zu Veränderungen der Nahrungspräferenzen oder des Nahrungsaufnahmeverhaltens der Katze. Besitzer beschreiben ihre Katze manchmal als „hungriger als sonst“ oder sie sagen, das Tier hat „einen guten Appetit“, wenn die Katze arttypische nahrungssuchende Verhaltensweisen zeigt, wie z. B. Reiben an den Beinen des Besitzers oder Vokalisieren zu den fest terminierten Fütterungszeiten. Auch wenn diese Verhaltensweisen durchaus auf ein Interesse an Nahrungsaufnahme hindeuten, muss dennoch exakt ermittelt werden, wie viel Nahrung die Katze tatsächlich pro Tag aufnimmt. Manche Katzen werden weiterhin nach Snacks oder Feuchtnahrung „verlangen“ (und diese dann auch verzehren), aber gleichzeitig die Aufnahme ihrer Trockennahrungsration reduzieren. Weniger aufmerksame Besitzer denken dann möglicherweise, dass ihre Katze durchaus eine stabile Nahrungsaufnahme zeigt, während die insgesamt aufgenommenen Kalorien in der Tat nicht ihrem tatsächlichen Bedarf entsprechen.
In Haushalten mit mehreren Katzen kann es besonders schwierig sein, die Nahrungsaufnahme einer bestimmten Katze zu ermitteln. In diesen Situationen sollten Besitzer genau auf die Gruppendynamik achten, da eine selbstbewusstere, durchsetzungsstärkere Katze es einem schüchternen, zurückhaltenden Individuum durchaus schwer machen kann, einen angemessenen Zugang zu Nahrung zu erhalten [3]. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass Katzen vorzugsweise kleine, häufige Mahlzeiten zu sich nehmen, wenn sie allein und unbeobachtet sind. Selbst wenn keine offenkundige Aggression zwischen einzelnen Katzen besteht, kann die Nahrungsaufnahme bereits durch die reine Anwesenheit anderer Tiere eingeschränkt werden. Auch der Ort, an dem die Katze ihre Nahrung angeboten bekommt, kann eine wichtige Rolle spielen. Steht das Futter zum Beispiel erhöht auf einem Tisch oder auf einem Regal, nimmt eine Katze mit einer orthopädischen Erkrankung möglicherweise allein schon deshalb weniger Kalorien auf, weil der Zugang zur Nahrung für sie mit Beschwerden oder Schmerzen verbunden ist oder ihr erhebliche Anstrengungen abverlangt. Futternäpfe in der Nähe von lauten Geräten, wie z. B. der Waschmaschine, können ebenfalls problematisch sein
Der tatsächliche Kalorienbedarf zum Erhalt eines stabilen Körpergewichts variiert von Katze zu Katze und hängt in erster Linie vom Alter, vom Geschlechtsstatus und vom Aktivitätsniveau ab. Für eine weitgehend bewegungsarm lebende, kastrierte, adulte Katze sind 40-66 kcal/kg Körpergewicht/Tag ein hilfreicher Ausgangspunkt, dieser Wert sollte aber nur als grobe Richtlinie betrachtet werden. Der Ruheenergiebedarf (RER) kann auch mit Hilfe einer nicht-linearen Formel berechnet werden: Körpergewicht (kg)0.75 x 70. Bei einer durchschnittlichen Katze mittleren Alters sollte der auf diese Weise ermittelte RER aber mit einem Faktor von 1,2 bis 1,4 multipliziert werden, um den tatsächlichen Energiebedarf (Erhaltungsenergiebedarf) zu berücksichtigen [4]. Ist die Katze untergewichtig, sollte für die Bestimmung des tatsächlichen täglichen Energiebedarfs immer ihr theoretisches ideales Körpergewicht herangezogen werden.
Nach den Erfahrungen der Autorin ist ein ungeklärter Gewichtsverlust (d. h., ein Gewichtsverlust bei einer Katze mit im Wesentlichen unauffälligen routinemäßigen Laborwerten), bei gleichzeitig adäquater oder robuster Kalorienaufnahme ein eher ungewöhnliches Phänomen. Zu den möglichen Diagnosen unter diesen Umständen gehören das Frühstadium einer Hyperthyreose, eine entzündliche Darmerkrankung (IBD) und eine exokrine Pankreasinsuffizienz (Tabelle 1). Darüber hinaus kann es bei einigen Katzen mit Kachexie im Zusammenhang mit Tumorerkrankungen oder chronischen Infektionen trotz ausreichender Nahrungsaufnahme zu einem Gewichtsverlust kommen, allerdings wird bei diesen Tieren tendenziell eher eine Hyporexie festgestellt [5]. Patienten mit kachektischen Erkrankungen können unter anderem daran erkannt werden, dass sie eher Muskulatur verlieren als Fettgewebe. Dieses Muster deutet auf Veränderungen im Stoffwechsel hin, die zum Teil durch einen Anstieg inflammatorischer Zytokine wie Tumornekrosefaktor-alpha und Interleukin 1 und 6 bedingt sind. Da im Unterschied zu den oben beschriebenen Situationen das Spektrum möglicher Diagnosen bei Katzen mit ungeklärtem Gewichtsverlust bei gleichzeitig verminderter Nahrungsaufnahme ungleich breiter gefächert ist, muss für diese Patienten eine sehr viel umfangreichere Liste von Differentialdiagnosen in Betracht gezogen werden (Tabelle 2).
Tabelle 1. Diagnostische Überlegungen bei Katzen mit ungeklärtem Gewichtsverlust trotz adäquater oder übermäßiger Kalorienaufnahme.
| Erkrankung | Initiale diagnostische Überlegungen |
| Hyperthyreose | Freies Thyroxin +/- felines Schilddrüsen- stimulierendes Hormon |
| Exokrine Pankreasinsuffizienz | Messung der Trypsin-like Immunoreactivity (nüchterne Katze) |
| Entzündliche/infiltrative Darmerkrankung (IBD) | Messung von Folsäure und Cobalamin im Serum (B12) |
| Kachektische Erkrankungen (weniger wahrscheinlich) | Thoraxröntgenaufnahmen; abdominale Ultraschalluntersuchung |
Tabelle 2. Diagnostische Überlegungen bei Katzen mit ungeklärtem Gewichtsverlust und unzureichender Kalorienaufnahme.
| Erkrankung | Initiale diagnostische Überlegungen |
| Störungen der Futteraufnahme/Orale Beschwerden | Beobachtung des Nahrungsaufnahmeverhaltens; Untersuchung der Maulhöhle unter Sedation |
| Psychischer Stress | Beurteilung von Umwelt, Fütterungspraktiken und allgemeinen Haltungsbedingungen |
| Chronische Nierenerkrankung | SDMA*bestimmen ; Blutdruck messen; Proteinurie quantifizieren; Ultraschalluntersuchung |
| Bauchspeicheldrüsenentzündung | Messung der pankreasspezifischen Lipase-Aktivität; Ultraschalluntersuchung |
| Entzündliche/infiltrative Darmerkrankung (IBD) | Messung von Folsäure und Cobalamin im Serum (B12); Ultraschalluntersuchung |
| Idiopathische Hyperkalzämie | Messung von ionisiertem Kalzium; Messung von Parathormon und Parathormon-related Protein |
| Kachektische Erkrankungen (z. B. Neoplasien, chronische Infektionen). | Thoraxröntgenaufnahmen; abdominale Ultraschalluntersuchung |
*SDMA = symmetrisches Dimethylarginin
Schritt 4: Überprüfung der verfügbaren Labordaten
Die „minimale Datenbasis“ für eine Katze mit Gewichtsverlust sollte ein großes Blutbild, ein biochemisches Serumprofil einschließlich Elektrolyte und eine Harnuntersuchung umfassen. Bei einer Katze mit Zugang ins Freie sollte zusätzlich eine parasitologische Kotuntersuchung mittels Flotation durchgeführt werden, und bei Patienten im Alter von sieben Jahren oder darüber sollte auch die Konzentration des Gesamtthyroxins bestimmt werden. Gemäß den Empfehlungen der American Association of Feline Practitioners sollten Katzen mit Symptomen einer systemischen Erkrankung immer auch auf das Feline Leukämievirus (FeLV) und das Feline Immundefizienzvirus (FIV) getestet werden.
Während es sich hierbei zweifellos um eine sehr umfassende diagnostische Herangehensweise handelt, kann die Blutuntersuchung bei Patienten mit einer erheblichen organischen Erkrankung durchaus auch „normale“ Befunde ergeben. Es ist daher wichtig, sämtliche verfügbaren Labordaten sehr sorgfältig zu evaluieren und diese – wenn immer möglich – mit früheren Ergebnissen zu vergleichen (siehe Tabelle 3). Einige Werte, wie Kreatinin und Albumin, bleiben bei gesunden Katzen über viele Jahre hinweg bemerkenswert konstant. Es kann daher sehr hilfreich sein, nach Trends bei bestimmten Werten zu suchen, anstatt sich ausschließlich auf „abnorme“ Werte zu konzentrieren. Zum Beispiel:
- Eine Abnahme des Serumalbumins (auch wenn der Wert noch innerhalb des Referenzintervalls liegt) kann auf eine gastrointestinale (GI) Erkrankung wie IBD oder ein kleinzelliges Lymphom (SCL) hinweisen [6]. Zu berücksichtigen ist, dass viele Katzen mit signifikanter gastrointestinaler Dysfunktion auch weiterhin gut geformten Kot produzieren, so dass ein normales Erscheinungsbild der Fäzes die Möglichkeit einer IBD oder ähnlicher Erkrankungen bei dieser Spezies nicht per se ausschließen kann. Gegebenenfalls sollten in diesen Fällen bei entsprechendem Verdacht auch die Folsäure- und Cobalaminkonzentrationen im Serum gemessen werden. Subnormale Werte eines dieser beiden Analyte stützen den Verdacht auf eine gastrointestinale Erkrankung (siehe nächster Abschnitt für weitere Details).
- Die Kreatinin-Konzentrationen im Serum liegen bei Katzen mit chronischer Nierenerkrankung (CNE) im Stadium 1 innerhalb des Referenzintervalls und können auch bei einigen Katzen mit einer Erkrankung im Stadium 2 noch „normal“ sein. Aber selbst im Frühstadium einer CNE kommt es bereits zu einem substanziellen Verlust der Nierenfunktion, und die betroffenen Katzen können erheblich an Gewicht verlieren [7]. Die Gründe hierfür sind komplexer Natur, spiegeln aber wahrscheinlich die mit CNE einhergehenden, weitreichenden metabolischen Veränderungen wider, sowie die Auswirkungen inflammatorischer Zytokine auf die Nahrungsaufnahme. Bei einer euvolämischen Katze deutet ein Anstieg der Serumkreatininkonzentration um mehr als 26 µmol/l (0,3 mg/dl) im Vergleich zu einem früher gemessenen Wert auf einen bereits erheblichen Verlust der Nierenfunktion hin. Gestützt wird dieser Verdacht, wenn das spezifische Harngewicht unterhalb von 1,035 liegt oder begleitend eine Proteinurie besteht [8]. Bei dieser Befundlage sollte der Nierenstatus der Katze weiter untersucht werden, unter anderem mittels Messung des systolischen Blutdrucks und einer Ultraschalluntersuchung des Nierensystems.
- Eine scheinbar „normale“ Gesamtthyroxinkonzentration (T4) sollte ebenfalls sorgfältig überprüft werden. Mit zunehmendem Alter driftet das Gesamt-T4 bei der Katze schrittweise in Richtung des unteren Endes des Referenzintervalls. Ein robuster oder gar steigender Wert bei einer Katze mit Gewichtsverlust deutet daher auf eine frühe Hyperthyreose hin und sollte deshalb weiter abgeklärt werden [9]. Als allgemeine Regel gilt, dass ein Gesamt-T4 in der oberen Hälfte des Referenzintervalls bei einer älteren Katze mit Gewichtsverlust Anlass für die Bestimmung des freien T4 sein sollte. Auch die Bestimmung der Konzentration des katzenspezifischen Schilddrüsen-stimulierenden Hormons kann hilfreiche Informationen liefern, da man bei Katzen mit Hyperthyreose subnormale Werte finden würde [10].
- Die Gesamtkalziumkonzentration im Serum korreliert bei Katzen nur schlecht mit der Konzentration des ionisierten Kalziums, so dass die Gefahr besteht, potenziell folgenschwere Erhöhungen des ionisierten Kalziums zu übersehen, wenn der Gesamtkalziumwert innerhalb des Referenzintervalls liegt. Liegt also das Gesamtkalzium nahe am oberen Ende seines Referenzintervalls, kann eine Messung des ionisierten Kalziums gerechtfertigt sein [11]. Unabhängig von ihrer Ursache geht eine Hyperkalzämie häufig mit einer Hyporexie einher, und in einer entsprechenden Untersuchung wurde bei fast 20 % aller Katzen mit der endgültigen Diagnose einer idiopathischen Hyperkalzämie auch ein Gewichtsverlust beschrieben [12].
- Ein „normales“ großes Blutbild lässt eher nicht auf eine spezifische Ursache für den Gewichtsverlust schließen. Eine sich dem oberen Ende ihres Referenzbereichs nähernde Eosinophilenzahl kann aber durchaus von Bedeutung sein, da neoplastische Prozesse wie Lymphome und Mastzelltumore Chemokine freisetzen, die Eosinophile anlocken, und Ähnliches beobachtet man auch bei Pilz- und Protozoeninfektionen [13]. Eine hohe Eosinophilenzahl kann aber auch bei Katzen mit eosinophiler IBD festgestellt werden.
Tabelle 3. Wichtige Laborparameter für die Bestimmung und das Erkennen von Trends bei Katzen mit ungeklärtem Gewichtsverlust und normalen Labordaten.
| Parameter | Diagnostische Überlegungen |
| Albumin | Ein Rückgang gegenüber dem Baseline-Wert deutet auf eine GI-Erkrankung hin. Messung der Folsäure- und Cobalamin-Konzentration im Serum in Erwägung ziehen. |
| Kreatinin | Ein Anstieg gegenüber dem Baseline-Wert deutet auf eine CNE hin (bei einem euvolämischen Patienten). Messung des systolischen Blutdrucks und eine Ultraschalluntersuchung der Nieren in Erwägung ziehen. |
| Thyroxin | Ein Anstieg gegenüber dem Baseline-Wert oder ein Wert in der oberen Hälfte des Referenzbereichs deutet auf eine Hyperthyreose hin. Messung von freiem T4 +/- katzenspezifischem Schilddrüsen-stimulierendem Hormon in Erwägung ziehen. |
| Kalzium | Ein hohes Gesamtkalzium deutet auf eine Hyperkalzämie hin. Messung von ionisiertem Kalzium in Erwägung ziehen. |
| Eosinophilenzahl | Eine hohe Anzahl deutet auf ein Lymphom, einen Mastzelltumor, eine Protozoen- oder Pilzinfektion oder eine eosinophile IBD hin. Sonographie des Abdomens +/- Tests auf Infektionskrankheiten in Erwägung ziehen. |
Schritt 5: Zusätzliche Labortests
Wenn die minimale Datenbasis keine brauchbaren Hinweise liefert, priorisiert die Autorin im nächsten Schritt eine Untersuchung der Funktion des Gastrointestinaltraktes über die Bestimmung der Folsäure – und Cobalaminkonzentrationen im Serum. Eine Hypofolatämie weist auf eine absorptive Dysfunktion im Duodenum hin, dieser Befund ist aber lediglich ein relativ unsensibler Indikator für eine entsprechende Erkrankung, und ein physiologischer Wert schließt entzündliche oder neoplastische Veränderungen in diesem Darmabschnitt nicht aus [14]. Aussagekräftiger scheint dagegen die Serumkonzentration von Cobalamin (B12) zu sein, und subnormale Werte deuten auf eine Erkrankung des Ileums, eine intestinale Dysbiose oder eine exokrine Pankreasinsuffizienz hin. In der Praxis der Autorin gilt eine Cobalamin- Konzentration < 400 ng/l (Referenzbereich: 290-1500 ng/l) als signifikanter Befund. Da sich Cobalaminmangel wiederum auf den Appetit auswirken kann, ist eine schnelle Erkennung und Behandlung einer Hypocobalaminämie wichtig [15].
Abzuklären ist darüber hinaus die Möglichkeit einer chronischen Pankreatitis. Betroffene Katzen zeigen möglicherweise kein Erbrechen und keine offensichtlichen Symptome abdominaler Beschwerden, sondern eher eine in unterschiedlichem Maße verringerte Nahrungsaufnahme. Während die endgültige Diagnose eine histopathologische Untersuchung von Pankreasgewebe erfordert, basiert eine klinische Verdachtsdiagnose in der Regel auf einer Kombination von Symptomen (die sich allerdings auch auf eine Hyporexie beschränken können) und Befunden einer abdominalen Sonographie und/oder die Messung der felinen pankreasspezifischen Lipase-Immunreaktivität (fPLI). Ein Anstieg der fPLI ist ein deutlicher Hinweis auf eine aktive Schädigung der Azinuszellen des Pankreas, unter Umständen handelt es sich hierbei jedoch nicht um die einzige Ursache für den Gewichtsverlust des Patienten, so dass in diesen Fällen auch die Möglichkeit einer begleitenden gastrointestinalen Erkrankung oder anderer systemischer Erkrankungen in Betracht gezogen werden sollte [16]. Darüber hinaus kann das Entzündungsgeschehen im Pankreas schwanken, so dass mit einem einzelnen, innerhalb des Referenzbereiches liegenden Ergebnis die Möglichkeit zyklischer Entzündungsschübe nicht ausgeschlossen werden kann. Eine wiederholte Bestimmung der pankreasspezifischen Lipase kann unter diesen Umständen hilfreich sein.
Bei caninen Patienten gilt das C-reaktive Protein (CRP) als neuer Biomarker für entzündliche Zustände, und erhöhte CRP-Konzentrationen werden mit zahlreichen Erkrankungen in Verbindung gebracht [17]. Es handelt sich hierbei um ein positives Akute-Phase-Protein, dessen Konzentration als Reaktion auf eine Entzündung, Verletzung oder Neoplasie bei Hunden in erheblichem Maße ansteigt (oft um mehr als das 20-Fache). Bei Katzen scheint das C-reaktive Protein leider nicht aussagekräftig zu sein und gilt bei dieser Spezies deshalb auch nicht als zuverlässiger Indikator für eine zugrunde liegende entzündliche oder neoplastische Erkrankung. So konnte in einer Studie anhand der Serumkonzentrationen von C-reaktivem Protein nicht zwischen klinisch normalen Katzen und postoperativen Patienten unterschieden werden [18].
Wenn die Nahrungsaufnahme eindeutig suboptimal ist, muss versucht werden, die Kalorienzufuhr zu erhöhen, noch während die Diagnostik abgeschlossen wird. Geeignete Ansätze sind das Anbieten alternativer Futtermittel und die Verabreichung von Appetitstimulanzien.
Schritt 6: Bildgebende Untersuchungen
Nach Ansicht der Autorin ist eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens bei einer Katze mit ungeklärtem Gewichtsverlust oft ein sehr ergiebiger diagnostischer Test. Besondere Aufmerksamkeit sollte dabei naturgemäß dem Gastrointestinaltrakt gewidmet werden. Bestimmt werden sollten sowohl die Gesamtdicke der verschiedenen Darmabschnitte als auch das Verhältnis zwischen der Dicke der Mukosa und der Dicke der Muskularis. Als allgemeine Regel gilt, dass jedes Dünndarmsegment mit einer Wanddicke von mehr als 3 mm verdächtig ist, und auch eine markante Muskularis kann auf eine zugrundeliegende Erkrankung hinweisen [19]. Auch bei klinisch gesunden Katzen wird gelegentlich eine diffuse Verdickung der Muskularis festgestellt, dieser Befund wird aber häufiger im Zusammenhang mit IBD oder infiltrativen GI-Erkrankungen wie kleinzelligen Lymphomen und Histoplasmose beobachtet (Abbildung 3). Auch andere intraabdominale Erkrankungen, die geringgradige Beschwerden und eine sekundäre Hyporexie verursachen, wie z. B. eine chronische Pankreatitis, können mittels Ultraschall erkannt werden, obwohl subtile Veränderungen der Echogenität ohne Hochleistungsgerät oder große Erfahrung des Untersuchers oder der Untersucherin schwer einzuschätzen sein können (Abbildung 4) [16]. Nierenprobleme (z. B. eine Harnleiterobstruktion oder Hydronephrose), lassen sich mittels Ultraschall ebenfalls leicht erkennen und können durchaus so starke chronische Beschwerden verursachen, dass die Nahrungsaufnahme bei entsprechend erkrankten Katzen beeinträchtigt wird [20]. Zu beachten ist, dass im Falle einer nicht betroffenen kontralateralen Niere das Serumkreatinin und das spezifische Harngewicht innerhalb ihrer Referenzintervalle liegen.
Veränderungen der Größe oder der Echogenität abdominaler Organe wie Leber, Milz und Lymphknoten sollten gegebenenfalls Anlass zur Entnahme von zytologischen Proben auf dem Wege der Feinnadelaspiration geben.
Thoraxröntgenaufnahmen sind ein logischer nächster Schritt, wenn die abdominale Ultraschalluntersuchung keine zusätzlichen Hinweise liefert. Allein aufgrund des Fehlens klinischer Symptome einer Atemwegserkrankung sollte die Möglichkeit respiratorischer Erkrankungen, die für den Gewichtsverlust verantwortlich sein können, wie z. B. Lungentumore, nicht ausgeschlossen werden [21]. Generell sollte der Thorax in drei Ebenen geröntgt werden (links- und rechtslaterale Aufnahme sowie ventrodorsal), wobei die Interpretation der Aufnahmen durch einen zertifizierten Radiologen hilfreich sein kann (Abbildung 5).


Audrey K. Cook
BVM&S, MSc, Vet Ed, FRCVS, Dip. ACVIM, Dip. ECVIM (CA), Dip. ABVP Feline Practice, Texas A&M University School of Veterinary Medicine, College Station, TX, USA
Vereinigte Staaten von Amerika
Dr. Cook schloss ihr Studium an der University of Edinburgh in Schottland mit Auszeichnung ab und absolvierte anschließend eine Residency im Bereich Innere Medizin bei Kleintieren an der University of California, Davis. Nach einem Jahrzehnt in der privaten Überweisungspraxis schloss sie sich der veterinärmedizinischen Fakultät der Texas A&M an, wo sie derzeit Professorin und Leiterin der Abteilung für Innere Medizin für Kleintiere ist. Zu ihren besonderen Interessen gehören die Endokrinologie, die Gastroenterologie und die interventionelle Radiologie.
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