Nierenerkrankungen bei Hunden

Geschrieben von Thierry Francey und Ariane Schweighauser

Bei Hunden mit Nierenerkrankungen kann eine Kategorisierung des Problems hilfreich sein – entscheidend sind jedoch die Diagnose der primären Ursache und die Implementierung eines realistischen Therapieplans.

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5 - 15 min
Nierenbiopsie von einem Hund mit Leptospirose.

Kernaussagen

Group 15 1

Die richtige Diagnose und die präzise Charakterisierung von Nierenerkrankungen bei Hunden sind wesentliche Voraussetzungen für eine adäquate Behandlung.

Group 15 2

Chronische Nierenerkrankung ist das irreversible Resultat einer Vielzahl verschiedener genetischer, toxischer, infektiöser oder entzündlicher Zustände und ist gekennzeichnet durch eine Neigung zur Progression.

Group 15 3

Akute Nierenschädigung bezeichnet potenziell reversible Zustände, die mit einer Beeinträchtigung der Integrität oder Funktion des Nierenparenchyms einhergehen und eine proaktive diagnostische und therapeutische Strategie erfordern.

Group 15 4

Glomeruläre Erkrankungen sind eine große Gruppe von Nierenerkrankungen, die primär gekennzeichnet sind durch ein qualitativ abnormes glomeruläres Filtrationsmuster mit persistierender renaler Proteinurie.


Einleitung

Der Begriff „Nierenerkrankung“ umfasst eine große Gruppe kongenitaler und erworbener Erkrankungen, die letztlich zu einer Beeinträchtigung der Integrität oder der Funktion der Niere führen (1). Im Falle einer partiellen oder vollständigen Insuffizienz einiger der multiplen Funktionen der Niere kann es zu einer hochgradigen Beeinträchtigung der allgemeinen Gesundheit eines Hundes kommen, wobei mit einem breiten Spektrum akuter oder chronischer systemischer Symptome zu rechnen ist. Diese Variabilität unterstreicht die Notwendigkeit einer gründlichen und systematischen diagnostischen Herangehensweise, einschließlich spezifischerer Analysen, mit dem Ziel, die zugrundeliegende Erkrankung und die Manifestationen des Nierenproblems klar zu definieren.

Die Verwendung allgemeiner Begriffe wie „Akute Nierenschädigung“ bzw. „Akutes Nierenversagen (AKI; Acute Kidney Injury) oder „Chronische Nierenerkrankung“ (CNE) sollte nicht über die Notwendigkeit einer spezifischen und detaillierten Diagnose hinwegtäuschen, da diese entscheidend sein kann für die therapeutische Strategie und das zu erwartende Outcome beim individuellen Patienten. Der Wert dieser Begriffe liegt vor allem darin, dass Ähnlichkeiten in der Symptomatik und in den Behandlungsbedürfnissen zwischen eng verwandten Erkrankungen erkannt und hervorgehoben werden. Im Frühstadium einer CNE zielt die Strategie jedoch nicht nur auf eine symptomatische Behandlung der klinischen Symptome ab, sondern sollte darüber hinaus auch versuchen, die primäre Ätiologie zu identifizieren, mit dem Ziel, den Verlauf der Erkrankung zu beeinflussen oder umzukehren. 

Chronische Nierenerkrankung  

Die Chronische Nierenerkrankung (CNE) ist eine fortschreitende und irreversible Erkrankung, bei der die Nieren im Laufe der Zeit ihre Funktionsfähigkeit verlieren. Auch wenn das histologische Bild einer chronischen interstitiellen Nephritis recht einheitlich ist und in fortgeschrittenen Stadien nur selten Rückschlüsse auf die primäre Erkrankung zulässt, können die zugrundeliegenden Ursachen sehr unterschiedlich sein und genetische, infektiöse, toxische, immunologische oder degenerative Zustände umfassen. Die Chronische Nierenerkrankung kann daher als irreversibles Resultat einer Vielzahl verschiedener chronischer Erkrankungen bzw. Zustände betrachtet werden (1). Nach heutiger Auffassung ist die CNE bei Hunden häufig die Folge einer glomerulären Erkrankung, bei der die daraus resultierenden metabolischen Störungen und die Proteinurie zu einer fortschreitenden Schädigung des tubulointerstitiellen Kompartments der Niere führen. Leider wird die CNE in vielen Fällen erst spät im Krankheitsverlauf diagnostiziert, wenn die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt sind und sich in erster Linie auf symptomatische oder palliative Maßnahmen beschränken. Das diagnostische Prozedere bei einem Hund mit Verdacht auf CNE umfasst in der Regel vier Schritte: 

  1. Bestätigung der Nierenerkrankung und ihrer Chronizität. 
  2. Identifizierung der zugrundeliegenden Ätiologie. 
  3. Stadieneinteilung und Charakterisierung der klinischen und metabolischen Folgen der CNE. 
  4. Evaluierung der Krankheitsaktivität und des Progressionsrisikos. 

Die Diagnose einer CNE basiert im Allgemeinen auf der Interpretation der gesammelten Informationen aus dem Vorbericht, der klinischen Untersuchung, den klinisch-pathologischen Daten und den bildgebenden Befunden. Dabei sollte zunächst sichergestellt werden, dass prärenale und postrenale Ursachen einer Azotämie ausgeschlossen werden (oder in kombinierten Fällen lediglich eine untergeordnete Rolle spielen) und es sollte bestätigt werden, dass die Erkrankung bereits über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten persistiert. Im typischen Fall ergibt sich eine CNE-Diagnose aus der indirekten Feststellung einer verminderten glomerulären Filtrationsrate über den Nachweis erhöhter Serumkonzentrationen der Surrogatmarker Kreatinin oder SDMA (symmetrisches Dimethylarginin) (persistierende Azotämie), einer abnormen glomerulären Funktion (persistierende renale Proteinurie), einer abnormen tubulären Funktion (Verlust der Harnkonzentrierungsfähigkeit, eines inadäquaten Verlustes von Kalium, Glukose oder Bikarbonat über den Harn) oder einer veränderten Nierenstruktur (Zysten, Infarkte, Harnsteine oder Neoplasien). 

Da keine der genannten diagnostischen Variablen per se pathognomonisch für CNE ist, sollte die endgültige Diagnose immer einen breiten Ansatz umfassen, der Blutuntersuchungen und Harnanalysen kombiniert (1, 2). 

Nach den Empfehlungen der International Renal Interest Society (IRIS) sind die bevorzugten Kriterien für die Diagnose einer CNE eine erhöhte Kreatinin- oder SDMA-Konzentration im Serum, kombiniert mit einer verminderten Harnkonzentrierungsfähigkeit (spezifisches Harngewicht [SHG] <1.030) und der Evidenz einer Chronizität (persistierende Veränderung von Laborwerten, Sonographie- und Palpationsbefunden). Da die Harnkonzentrierungsfähigkeit in den frühen Stadien der CNE möglicherweise noch nicht beeinträchtigt ist, könnte ein einsprechender Verdacht auf einen CNE formuliert werden: 

  • bei langsam ansteigendem Serumkreatinin oder Serum-SDMA innerhalb des jeweiligen Referenzintervalls, 
  • in Abwesenheit offensichtlicher prärenaler Ursachen bei persistierend erhöhtem SDMA; 
  • bei abnormen bildgebenden Nierenbefunden oder bei persistierender renaler Proteinurie (Protein/Kreatinin-Verhältnis im Harn >0,5) (2).

Es sollte betont werden, dass die Untersuchung auf eine mögliche Nierenerkrankung auch im Frühstadium ohne Harnuntersuchung niemals als vollständig betrachtet werden kann, unabhängig davon, ob diese zur Identifizierung der Ursache oder der Folgen dient. Der Befund einer Azotämie allein ist nicht gleichbedeutend mit dem Vorliegen einer Nierenerkrankung, denn erhöhte Konzentrationen harnpflichtiger Substanzen im Blut spiegeln lediglich eine veränderte Nieren- oder Harnwegsfunktion wider, selbst wenn eine vermeintliche Nierenerkrankung durch sensitive Biomarker einer frühen CNE wie SDMA „bestätigt” wird. Erhöhte Kreatinin- oder SDMA-Konzentrationen im Serum können nämlich nicht nur bei primären Nierenerkrankungen festzustellen sein, sondern auch bei prärenalen (z. B. Dehydrierung oder Hypovolämie) und postrenalen Zuständen (z. B. Harnwegsobstruktion oder Harnwegsruptur). 

Für die Frühdiagnose einer CNE hängt der Nutzen weithin verfügbarer bildgebender Diagnoseverfahren wie Ultraschall in hohem Maße von der Erfahrung des Untersuchers oder der Untersucherin ab, wobei stets die Gefahr einer Überinterpretation physiologischer Variationen besteht. Die bildgebende Diagnostik sollte aber dennoch ein integraler Bestandteil jeder Nierenuntersuchung sein, da sie spezifische Veränderungen der Nierenarchitektur aufzeigen kann, die wichtige therapeutische Implikationen nach sich ziehen (Abbildung 1). So kann beispielsweise der Nachweis multipler Nierenzysten auf eine genetische Ätiologie der CNE hinweisen, eine moderate Pyelektasie und eine Harnleiterdilatation können auf einen ektopischen Ureter mit sekundärer CNE hinweisen und Harnsteine können auf wiederholte Episoden einer obstruktiven Uropathie mit sekundärer CNE hinweisen.

Ultraschallbilder der Nieren.
Abbildung 1. Ultraschallbilder von erkrankten Nieren. a. AKI aufgrund von Leptospirose: Die Niere ist normal groß, mit gut erhaltener Architektur, und es ist eine geringe Menge an perirenaler Flüssigkeit sichtbar (weißer Pfeil). b. CNE-Stadium 4 bei einem Hund: Die gesamte Niere ist kleiner als normal für einen 8 kg schweren Hund, zeigt eine leicht unregelmäßige Oberfläche und eine unscharfe kortikomedulläre Abgrenzung. c. Chronische glomeruläre Erkrankung aufgrund von Leishmaniose: Geringgradig vergrößerte Niere mit unregelmäßiger Oberfläche, leichter Pyelektasie und verdickter hyperechogener Rinde. d. Nierenkarzinom: Zu beachten ist die große heterogene Masse mit vollständigem Verlust der physiologischen Nierenarchitektur. Die zytologische Untersuchung eines Feinnadelaspirats bestätigte die Diagnose. © Abteilung für Klinische Radiologie, Vetsuisse Bern

Die Diagnose einer CNE per se reicht für die umfassende Beurteilung eines betroffenen Hundes niemals aus. Je nach Grad der Erkrankung kann es sich nämlich lediglich um einen Zufallsbefund ohne aktuelle Relevanz für die unmittelbare klinische Fragestellung handeln oder um ein Todesurteil für den Patienten im Endstadium der Erkrankung (Abbildung 2 und 3). Wichtig ist daher eine Verfeinerung und Präzisierung der allgemeinen Diagnose „Chronische Nierenerkrankung“ durch exakte Bestimmung ihres Grades mit Hilfe einer Stadieneinteilung und durch Erstellung einer Liste der bei diesem Patienten relevanten klinischen und metabolischen Komplikationen (1). Diese detaillierte Herangehensweise zielt in erster Linie darauf ab, die Grundlagen für eine aussagekräftige Prognose und für die Erstellung eines individuellen Behandlungsplans zu schaffen. Eine erste Beurteilung des Erkrankungsgrades erfolgt in der Regel mit Hilfe der Stadieneinteilung unter Verwendung der Steady-State-Konzentrationen von Kreatinin und SDMA im Serum gemäß den IRIS-Kriterien (Tabelle 1). Dabei muss berücksichtigt werden, dass dieses System der Stadieneinteilung nicht der Diagnose einer CNE dient, sondern eher als Grundlage für eine standardisierte Nomenklatur. Zudem liefert die Klassifikation eine erste grobe Orientierung für die Behandlung und die Überwachung des Patienten. Das Staging sollte daher erst nach Bestätigung der CNE-Diagnose durchgeführt werden, und wenn der Hund eine stabile Nierenfunktion aufweist. Die weitere Klassifizierung der CNE in Unterstadien basiert dann auf dem Vorliegen einer Proteinurie (Bestimmung über das Protein/Kreatinin-Verhältnis im Harn) und einer systemischen Hypertonie (gemessen als systolischer Blutdruck), also der beiden Hauptkomplikationen der CNE, die mit einer schnelleren Progression der Erkrankung assoziiert sind (2). 

 

Tabelle 1. Stadieneinteilung der CNE bei Hunden (aus (2)).

Stadium Kriterien
1 Kreatinin: <125 µmol/l (<1,4 mg/dl)
SDMA: <18 µg/dl
2 Kreatinin: 125–250 µmol/l (1,4–2,8 mg/dl)
SDMA: 18–35 µg/dl
3 Kreatinin: 251–440 µmol/l (2,9–5,0 mg/dl)
SDMA: 36–54 µg/dl
4 Kreatinin: >440 µmol/l (>5,0 mg/dl)
SDMA: >54 µg/dl
Substadium Proteinurie Nicht-proteinurisch: UPC <0,2
Grenzwertige Proteinurie: UPC 0,2–0,5
Proteinurie: UPC > 0,5
Substadium Hypertonie Normotonisch: SBP < 140 mmHg
Prähypertonisch: SBP 140–159 mmHg
Hypertonisch: SBP 160–179 mmHg
Hochgradig hypertonisch: SBP ≥180 mmHg
Abkürzungen: SDMA: symmetrisches Dimethylarginin; UPC: Protein/Kreatinin-Verhältnis im Harn; SBP (systolic blood pressure): systolischer Blutdruck 
Hund mit trockener, lederartiger Zunge und trockener Nase.
Abbildung 2. Acht Jahre alter Mischlingshund mit hochgradiger Urämie infolge CNE im Stadium 4: Zu beachten sind die trockene, lederartige Zunge und die trockene Nase. © Abteilung für Nephrologie, Klinik für Kleintiermedizin, Vetsuisse Bern
Hund mit “rubber jaw”.
Abbildung 3. Zwei Jahre alter Mischlingshund mit CNE im Stadium 4 und hochgradiger CNE-assoziierter Knochen- und Mineralstoffstörung, dem sogenannten „Rubber Jaw”. © Abteilung für Nephrologie, Klinik für Kleintiermedizin, Vetsuisse Bern

Da mit fortschreitender Erkrankung der Niere auch weitere Stoffwechselstörungen zu erwarten sind, steigt in späteren Stadien einer CNE auch der diagnostische Bedarf. Besonders deutlich wird der Nutzen einer individuellen und systematischen Herangehensweise am Beispiel der systemischen Hypertonie. Prinzipiell besteht bei Hunden mit CNE in jedem Stadium der Erkrankung ein gewisses Risiko für die Entwicklung einer Hypertonie, mit fortschreitender Erkrankung nimmt dieses Risiko jedoch zu. Bei einem Hund mit CNE im Stadium 1 ist die Wahrscheinlichkeit einer Entwicklung hypertensiver Komplikationen zwar eher gering, es kann aber dennoch zu einem Sehkraftverlust aufgrund einer Netzhautablösung kommen. Dies unterstreicht die wichtige Bedeutung systematischer Blutdruckmessungen bei allen Hunden mit Verdacht auf CNE. Eine jüngste Studie zeigt, dass mit Hilfe der Konzentration von Cystatin B im Harn zwischen Hunden mit stabiler CNE und progressiver CNE unterschieden werden kann (3). Eine routinemäßige Bestimmung dieses Biomarkers für Nierenschädigung sollte daher sowohl bei der Erstuntersuchung als auch beim Follow-up von Hunden mit CNE in Betracht gezogen werden. Anhand einer vollständigen „CNE-Checkliste” (Tabelle 2) kann eine nach Prioritäten geordnete und individuelle Problemliste für einen Hund mit Chronischer Nierenerkrankung erstellt und als Grundlage für die Entwicklung eines geeigneten Therapieplanes verwendet werden (1). 

 

Tabelle 2. CNE-Checkliste der zu erwartenden klinischen Manifestationen.

Symptome Beurteilung
Urämische Manifestationen Vorbericht und klinische Untersuchung
Gastrointestinale Störungen Vorbericht
Systemische Hypertonie Blutdruckmessung
Proteinurie Protein/Kreatinin-Verhältnis im Harn (UPC)
Aktivität und Fortschreiten der Erkrankung Verlaufsmessungen von Kreatinin oder SDMA; Cystatin B im Harn
Ernährungszustand Body Condition Score, Muscle Condition Score
Hydratation Klinische Untersuchung
Anämie Hämatokrit
Knochen- und Mineralstoffstörung im Zusammenhang mit CNE Plasmaphosphat, FGF-23
Metabolische Azidose Blut-pH-Wert, Serum-Bicarbonat
Elektrolytstörungen Serumkalium und -natrium
Harnwegsinfektionen Harnsediment und Harnkultur
Nebenwirkungen von Arzneimitteln Vorbericht, Dosisanpassungen, Wechselwirkungen
Abkürzung: FGF-23: Fibroblast Growth Factor 23

 

Akute Nierenschädigung (AKI)

Eine akute Nierenschädigung (akutes Nierenversagen; Acute Kidney Injury [AKI]) wird definiert als eine neu auftretende Schädigung des Nierenparenchyms (4). Abhängig von ihrer Spezifität und ihrem Ausmaß kann eine AKI entweder multiple oder sogar sämtliche Nierenfunktionen beeinträchtigen oder im Falle einer noch nicht merklich veränderten Nierenfunktion nur mit Hilfe der Messung spezifischer Biomarker erkannt werden (z. B. Harnzylinder, renale Glukosurie, Gamma-Glutamyltransferase [GGT] im Harn, Cystatin B im Harn oder Neutrophilen-Gelatinase-assoziiertes Lipocalin [NGAL] im Harn). Verschiedene Mechanismen können zur Entstehung einer AKI führen (Tabelle 3), und je nach klinischem Bild kann zwischen einer ambulant erworbenen AKI und einer nosokomial erworbenen AKI unterschieden werden (5).

 

Tabelle 3. Hauptursachen der AKI bei Hunden.

Ursache Beispiele
Ischämisch Hypovolämischer Schock, Hitzschlag, akute Diarrhoe, kongestive Nephropathie
Toxisch Ethylenglykol, Trauben und Rosinen (7), Pilze (Cortinarius spp.), Arzneimittel (Aminoglykoside, RAAS-Hemmer, NSAIDs), Entkalkungsmittel (Maleinsäure)
Infektiös Leptospirose (8), Pyelonephritis, Leishmaniose
Entzündlich Akute Glomerulonephritis (Borrelia burgdorferi)
Multisystemische Erkrankungen Sepsis, akute Pankreatitis, septische Peritonitis (6), Pyometra, akute Prostatitis, bakterielle Pneumonie
Abkürzungen: RAAS: Renin-Angiotensin-Aldosteron-System; NSAIDs: nichtsteroidale Antiphlogistika

 

Hunde mit ambulant erworbener AKI (z. B. Toxizitäten, Leptospirose) werden tendenziell eher in fortgeschrittenen Stadien einer Niereninsuffizienz vorgestellt, und die Diagnose einer AKI ist in der Regel offensichtlich (Abbildung 4). In der Kategorie der nosokomial erworbenen AKI dominieren dagegen in der Regel die klinischen Symptome der primär zugrundeliegenden Erkrankung (z. B. Sepsis, akute Pankreatitis), und die Nierenbeteiligung ist tendenziell eher subtiler Natur. Aber auch eine sekundäre AKI kann zu einer katastrophalen und lebensbedrohlichen Insuffizienz sämtlicher Nierenfunktionen führen, und selbst geringgradige Formen der nosokomial erworbenen AKI können das Outcome der primären Erkrankung nachweislich deutlich beeinträchtigen. So stellt zum Beispiel eine jüngste Studie fest, dass bei 40 % der aufgrund einer septischen Peritonitis chirurgisch behandelten Hunde zum Zeitpunkt der Vorstellung oder während der Hospitalisierung eine AKI diagnostiziert wurde (6), und im Vergleich zu nicht betroffenen Hunden hatten diese Hunde mit AKI-Diagnose eine um 80 % geringere Überlebenswahrscheinlichkeit bis zur Entlassung (Mortalitätsrate 39 % vs. 9 %). Daher müssen Ärzte bei Hunden mit kritischen Erkrankungen, bei denen das Risiko einer AKI besteht, vorsichtig sein und eine proaktive Überwachung aufrechterhalten, bevor eine Niereninsuffizienz das klinische Bild dominiert. 

Cocker Spaniel mit schwerem AKI und Nausea.
Abbildung 4. Zwei Jahre alter Cocker Spaniel mit AKI-Grad 5 (aufgrund einer Leptospirose) und hochgradiger Nausea. © Abteilung für Nephrologie, Klinik für Kleintiermedizin, Vetsuisse Bern

Die Diagnose einer AKI stützt sich auf eine Kombination aus anamnestischen, klinischen und labordiagnostischen Befunden, die auf eine akute (innerhalb von 48 Stunden) Verschlechterung der Nierenfunktion und/oder einen akuten Anstieg von Biomarkern für Nierenschäden hinweisen. Ein Anstieg des Serumkreatinins um 0,3 mg/dl (26 µmol/l) sollte als diagnostisch für eine AKI angesehen werden, selbst wenn der Wert innerhalb des Referenzintervalls liegt. Auch wenn es sich bei einem solchen Anstieg um die funktionelle Folge einer primären prärenalen Problematik (z. B. Dehydrierung, Hypovolämie) handeln könnte und nicht um eine echte Schädigung des Nierenparenchyms, stellt diese Veränderung im besten Fall einen nicht gerade optimalen Zustand für die Niere dar und erhöht damit das Risiko für eine Schädigung. Diese allein auf dem Serumkreatinin basierende globale Definition einer AKI, sollte bei einem verdächtigen Patienten aber nicht als Freibrief für den Verzicht auf eine Harnanalyse gelten. So kann zum Beispiel eine progrediente Azotämie bei gleichzeitig hohem spezifischen Harngewicht auf die Notwendigkeit einer Optimierung der Flüssigkeitstherapie und einer Verbesserung des Gefäßvolumenstatus hinweisen (Abbildung 5 und 6). Bei einem kritisch erkrankten Hund sollte der Nachweis mehrerer granulierter Harnzylinder selbst bei scheinbar stabiler Nierenfunktion immer eine detaillierte Evaluierung des kardiovaskulären Status, eine Abklärung primärer Erkrankungen (z. B. Sepsis), eine Abklärung möglicher sekundärer infektiöser oder entzündlicher Komplikationen (z. B. Sepsis, Pankreatitis) und eine Überprüfung der Indikation der gegenwärtig verabreichten Arzneimittel nach sich ziehen. Die Rolle der bildgebenden Diagnostik bei der Abklärung einer AKI besteht in erster Linie darin, die primäre Ätiologie der Erkrankung zu identifizieren und eine unerkannte zugrundeliegende CNE auszuschließen, weil letztere erhebliche Auswirkungen auf die Prognose hat. Wie bei der CNE sollte eine AKI-Diagnose aber nicht beim Nachweis der Erkrankung per se stehen bleiben, sondern um eine Kategorisierung (Tabelle 4) und eine gründliche Evaluierung der assoziierten metabolischen Veränderungen (siehe „AKI-Checkliste” in Tabelle 5) erweitert werden, denn diese Maßnahmen bilden die Grundlage für die Erstellung eines individuellen Therapie- und Monitoringplans. 

 

Tabelle 4. IRIS-Klassifikation der AKI (9).

Grad Kriterien
1 Kreatinin: <125 µmol/L <1,4 mg/dl
2 Kreatinin: 125–250 µmol/l 1,4–2,8 mg/dl
3 Kreatinin: 251–440 µmol/l 2,9–5,0 mg/dl
4 Kreatinin: >440–880 µmol/l 5,0–10,0 mg/dl
5

Kreatinin: >880 µmol/l >10,0 mg/dl

Unterklassifikation Harnausscheidung Nicht-oligurisch
Oligurisch
Unterklassifikation RRT Nicht mit RRT behandelt 
Mit RRT behandelt
Abkürzung: RRT: Renal Replacement Therapy (Nierenersatztherapie)

 

Tabelle 5. AKI-Checkliste der zu erwartenden klinischen Manifestationen.

Symptome Beurteilung
Urämische Symptome Vorbericht und klinische Untersuchung
Gastrointestinale Störungen Vorbericht
Hydratation, Volämie, Harnproduktion Klinische Untersuchung, UZV, KG, POCUS
Elektrolytstörungen Kalium- und Natriumkonzentration im Serum
Metabolische Azidose Serumbicarbonat, Blut-pH-Wert
Mineralstoffstörungen Kalzium und Phosphat im Plasma
Systemische Hypertonie Blutdruckmessung
Ernährungszustand Body Condition Score, Muscle Condition Score, Harnstoff-Kreatinin-Quotient
Anämie Hämatokrit
Schmerzen Klinische Untersuchung (Schmerzscore)
Entwicklung der Erkrankung (Verschlechterung, Besserung) Verlaufsuntersuchung: Kreatinin, Cystatin-B im Harn, C-reaktives Protein (10)
Harnwegsinfektionen Harnsediment und Harnkultur
Sonstiges Pulmonale Manifestationen, Koagulopathie, Enzephalopathie
Nebenwirkungen von Arzneimitteln Vorbericht, Dosisanpassungen, Wechselwirkungen
Abkürzungen: UZV: Urinzeitvolumen; KG: Körpergewicht; POCUS: Point-of-Care-Ultraschall
Anästhesierter Hund mit urämischer Glossitis.
Abbildung 5. Urämische Glossitis bei einem anästhesierten Hund mit AKI. © Abteilung für Nephrologie, Klinik für Kleintiermedizin, Vetsuisse Bern
Nierenbiopsie von einem Hund mit Leptospirose.
Abbildung 6. Nierenbiopsie (100-fache Vergrößerung; HE-Färbung) eines 3 Monate alten Labrador-Rüden mit AKI und disseminierter intravasaler Gerinnung aufgrund einer Leptospirose. Die histologischen Befunde umfassten eine akute exsudative und hämorrhagische Glomerulonephritis sowie eine akute, hochgradige und diffuse tubulointerstitielle und hämorrhagische Nephritis. Die PCR-Untersuchung der Biopsie war positiv für Leptospiren-DNA. © Institut für Tierpathologie, Vetsuisse Bern
Die neue Nomenklatur der AKI legt den Schwerpunkt eher auf die Schädigung und weniger auf die funktionelle Einschränkung und betont daher die wichtige Bedeutung einer frühzeitigen Diagnose, wobei es darum geht, das Vorliegen einer Schädigung zu erkennen, bevor die funktionelle Insuffizienz das Bild dominiert (4). Ein nächster Schritt könnte dann darin bestehen, die Krankheitsaktivität und die Schädigung selbst näher zu beleuchten. Eine aktivere Nierenschädigung sollte diagnostisch entsprechend intensiver angegangen werden, mit dem Ziel, den Krankheitsverlauf umzukehren und die Entstehung zusätzlicher Nierenschäden zu vermeiden. Mit Hilfe neuer Biomarker für Nierenschädigungen (z. B. Cystatin B im Harn, NGAL) könnten wir in der Lage sein, diesen Aspekt der Erkrankung besser zu evaluieren. Ein aktueller Review weist allerdings darauf hin, dass dieses Konzept der Krankheitsaktivität die Unterscheidung zwischen CNE und AKI etwas undeutlicher machen könnte, da sich eine schnell fortschreitende CNE möglicherweise nicht wesentlich von einer AKI mit geringer Krankheitsaktivität unterscheidet (11). 

Es sollte betont werden, dass die Untersuchung auf eine mögliche Nierenerkrankung auch im Frühstadium ohne Harnuntersuchung niemals als vollständig betrachtet werden kann, unabhängig davon, ob diese zur Identifizierung ihrer Ursache oder ihrer Folgen dient.

Thierry Francey

Akute auf chronische Erkrankung 

Die akute Exazerbation einer bestehenden CNE („akute auf chronische Nierenerkrankung“) stellt eine besondere Form der AKI dar, bei der die Niere bereits vor dem Auftreten der aktuellen Schädigung beeinträchtigt war (12). Der genaue Zustand der Niere zu diesem Zeitpunkt ist allerdings nur selten bekannt, und als Untersucher*in sieht man in der Regel nur die Möglichkeit einer AKI einer scheinbar intakten Niere oder einer AKI einer offensichtlich vorgeschädigten Niere. Diese gemischten akut-chronischen Formen kommen relativ häufig vor, da zum einen CNE-Patienten eine Prädisposition für akute Dekompensationsepisoden („akute auf chronische Erkrankung“) haben und es zum anderen bei Hunden mit AKI im Falle einer lediglich partiellen Remission häufig zu chronischen Folgen kommt („chronische auf akute Erkrankung“). Bei Patienten mit gemischten Merkmalen einer akuten und chronischen Nierenerkrankung geht man diagnostisch in der Regel wie oben beschrieben vor, also wie bei einem Hund mit AKI in aktiven Phasen und wie bei einem Hund mit CNE in stabilen und ruhigen Phasen. Dies unterstreicht einmal mehr, wie wichtig es ist, eher die Krankheitsaktivität zu berücksichtigen, anstatt sich ausschließlich auf die zeitlichen Aspekte der Erkrankung (akut – chronisch) zu konzentrieren. 

Glomeruläre Erkrankungen 

Glomerulopathien sind eine heterogene Gruppe von Nierenerkrankungen, die in erster Linie durch ein qualitativ abnormes glomeruläres Filtrationsmuster mit persistierender renaler Proteinurie gekennzeichnet sind (Tabelle 6) (13). Die meisten glomerulären Erkrankungen bei Hunden sind chronischer Natur und zeigen eine ausgeprägte Neigung, sich von einer durch die Folgen von Proteinurie (z. B. Ödeme, systemische Hypertonie, Proteinmangelernährung, Thromboembolien) dominierten Erkrankung in Richtung einer durch eine allmählich zunehmende Azotämie und Urämie dominierten Erkrankung zu entwickeln. Gelegentlich wird bei Hunden auch eine akutere Form der Glomerulopathie festgestellt, wie sie beispielsweise bei Infektionen mit Borrelia burgdorferi auftritt. 

 

Tabelle 6. Hauptursachen glomerulärer Erkrankungen (GD) bei Hunden (14).

Pathologischer Befund Beispiele
Membranöse Glomerulopathie Immunkomplexablagerungen auf der subepithelialen Seite der glomerulären Basalmembran
Membranoproliferative Glomerulonephritis Immunkomplexablagerungen auf den subendothelialen Oberflächen der glomerulären Basalmembran
Fokale segmentale Glomerulonephritis Primäre Schädigung der Podozyten
Amyloidose Akkumulation von extrazellulären unlöslichen Proteinen aus Fibrillen mit Cross-β-Struktur
Juvenile CNE

Nichtentzündliche, degenerative oder entwicklungsbedingte CNE bei jungen Tieren

  • Kollagenofibrotische Glomerulopathie (Kollagen Typ-III-Glomerulopathie)
  • Alport-Syndrom-ähnliche Nephropathie (Kollagen Typ IV- Glomerulopathie)
Gemischte GD
  • Mesangioproliferative Glomerulonephritis mit Immunkomplexen: Mesangialmatrixexpansion sekundär infolge Immunkomplexablagerungen in den Mesangialzonen
  • Minimal Change Disease: Podozytopathie (arzneimittel-induziert [Tyrosinkinase-Inhibitoren wie Masitinib], idiopathisch oder vermutlich immunvermittelt)
  • Glomeruläre Lipidose: große „schaumige” Zellen (mesangial oder endothelial) in den glomerulären Kapillarknäulen 
  • Thrombotische Mikroangiopathie: Endotheliale Schädigung der glomerulären Kapillaren und Arteriolen

 

Aus klinischen und therapeutischen Gründen ist eine Differenzierung zwischen immunvermittelten und nicht-immunvermittelten Glomerulopathien unerlässlich. Immunvermittelte Glomerulopathien stellen eine wichtige Untergruppe der glomerulären Erkrankungen bei Hunden dar, deren Prävalenz geografisch variiert (z. B. 27 % im Vereinigten Königreich vs. 48 % in den USA); ohne wirksame Behandlung der zugrundeliegenden Immunerkrankung sprechen betroffene Tiere auf eine antiproteinurische Standardbehandlung wahrscheinlich nicht in zufriedenstellendem Maße an (15, 16). Auf der anderen Seite hat eine Immunsuppression bei Hunden mit nicht-immunvermittelten glomerulären Erkrankungen ausschließlich negative Auswirkungen. Die einzige Möglichkeit zur Differenzierung dieser beiden Entitäten ist derzeit eine Nierenbiopsie mit umfassender histopathologischer Evaluierung (einschließlich spezieller lichtmikroskopischer Färbungen, Immunfluoreszenz und Elektronenmikroskopie) (Abbildung 7). Insbesondere in den Anfangsstadien einer glomerulären Erkrankung (wenn ein Hund proteinurisch, aber nicht oder nur geringgradig azotämisch ist) wird eine Nierenbiopsie daher dringend empfohlen. Da immunvermittelte Glomerulopathien als sekundäre Folge chronischer infektiöser und parasitärer Erkrankungen auftreten können, sollte ein gründliches Screening auf die in der betreffenden Region prävalenten Infektionskrankheiten bzw. Parasitosen durchgeführt werden. Zu den wichtigsten mit Glomerulopathien assoziierten infektiösen Erkrankungen bei Hunden in Mitteleuropa gehören die Leishmaniose, die Dirofilariose, die Babesiose, die Ehrlichiose, die Anaplasmose und die Borreliose sowie lokale Infektionen unterschiedlicher Ätiologien (z. B. Abszesse, Lobärpneumonie, Prostatitis oder Diskospondylitis) (17). 

Hundeniere mit starker Glomerulofibrose und chronischer interstitieller Nephritis
Abbildung 7. Nierenbiopsie (100-fache Vergrößerung; Masson-Trichrom-Färbung (Basalmembranen und extrazelluläre Kollagenmatrix sind blau, Zytoplasma ist rot)) eines Hundes mit chronischer glomerulärer Erkrankung unklarer Ätiologie. Histologische Merkmale sind eine hochgradige Glomerulofibrose und eine mittelgradige sekundäre chronische interstitielle Nephritis. © Institut für Tierpathologie, Vetsuisse Bern

Eine Bestätigung des glomerulären Ursprungs von Proteinen im Harn erfolgt mit Hilfe einer SDS-AGE (Sodium Dodecyl Sulfate-Agarose Gel Electrophoresis; Natriumdodecylsulfat-Agarose-Gel-Elektrophorese) oder einer SDS-PAGE (Sodium Dodecyl Sulfate Polyacrylamide Gel Electrophoresis; Natriumdodecylsulfat-Polyacrylamidgelelektrophorese) der Harnproteine zur Unterscheidung von großmolekularen Proteinen (glomerulärer Ursprung) und kleinmolekularen Proteinen (tubulärer Ursprung). Diese elektrophoretischen Methoden sind jedoch kein Ersatz für eine Nierenbiopsie, da mit ihrer Hilfe weder die zugrundeliegende Ätiologie noch der Krankheitsmechanismus bestimmt werden kann (13). 

Eine weitere Charakterisierung der Manifestationen einer glomerulären Erkrankung sollte wie bei der AKI oder der CNE erfolgen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf einer sorgfältigen Abklärung von systemischer Hypertonie (wiederholte Blutdruckmessung, Fundusuntersuchung), des thromboembolischen Risikos und thromboembolischer Komplikationen (viskoelastische Tests der Gerinnungsfähigkeit des Blutes, d. h. Thromboelastometrie), des Vorliegens von Ödemen oder Ergüssen (klinische Untersuchung, Point-of-Care-Ultraschall) und des Ernährungsstatus (Body Condition Score, Muscle Condition Score, Überwachung des Körpergewichts) (18). 

Für die Frühdiagnose einer CNE hängt der Nutzen weithin verfügbarer bildgebender Diagnoseverfahren wie Ultraschall in hohem Maße von der Erfahrung des Untersuchers oder der Untersucherin ab, wobei stets die Gefahr einer Überinterpretation physiologischer Variationen besteht.

Ariane Schweighauser

Weitere Nierenerkrankungen

Obwohl die meisten Nierenerkrankungen einer der drei oben beschriebenen Kategorien zugeordnet werden können, ist bei einigen funktionellen Defekten im Anfangsstadium eine entsprechende Zuordnung möglicherweise nicht möglich. So schreitet beispielsweise eine renale Glukosurie – ein spezifischer tubulärer Transportdefekt – in der Regel nicht zu einer azotämischen CNE fort. Damit unterscheidet sich die renale Glukosurie von ihrem Gegenpart mit seinen umfangreicheren tubulären Defekten, dem Fanconi-Syndrom, das mit einem breiten Spektrum an tubulären Dysfunktionen einhergeht und von einer fortschreitenden Entwicklung in Richtung zunehmender Azotämie gekennzeichnet ist. Weitere tubuläre Transportdefekte (z. B. Cystinurie) können sich primär als obstruktive Erkrankungen der ableitenden Harnwege infolge von Harnsteinbildung manifestieren. Spezifische Säure-Basen-Störungen (z. B. renale tubuläre Azidose) können klinische Symptome hervorrufen, die zum größten Teil mit metabolischen Störungen (z. B. Hypokaliämie, metabolische Azidose) zusammenhängen, obwohl sie in der Regel mit der Zeit in Richtung CNE fortschreiten. Aufgrund ihrer Funktion als wichtigster Regulator des Blutdrucks wird die Niere routinemäßig auch bei Verdacht auf idiopathische Formen der systemischen Hypertonie untersucht. Eine Unterscheidung zwischen primärer (idiopathischer) Hypertonie und sekundärer renaler Hypertonie in Verbindung mit einer CNE im Frühstadium ist bei einigen Hunden jedoch zunächst eventuell nicht eindeutig möglich, wenn keine Azotämie besteht. Fokale Nierenveränderungen (z. B. Niereninfarkte, Nierenneoplasien oder Nierenabszesse) können als Zufallsbefunde bei Hunden ohne metabolische oder funktionelle Einschränkungen nachzuweisen sein, führen bei einigen Tieren aber auch zu Hämaturie, die dann Anlass für eine weiterführende diagnostische Bildgebung sein sollte. 

Schlussfolgerung

Die Tendenz zur Vereinfachung der Nomenklatur von Nierenerkrankungen durch globale Begriffe wie Chronische Nierenerkrankung, Akute Nierenschädigung oder Proteinverlust-Glomerulopathie sollte nicht über die Notwendigkeit einer sorgfältigen Diagnostik hinwegtäuschen. Ziel ist es, die genaue Ätiologie des Problems zu identifizieren und damit die Grundlage für die Entwicklung eines geeigneten therapeutischen Ansatzes zu schaffen. Darüber hinaus sollte die Diagnostik eine vollständige Stadieneinteilung oder Klassifikation sowie eine detaillierte Charakterisierung der klinischen, labordiagnostischen und metabolischen Komplikationen der Erkrankung gewährleisten, um die Behandlung individuell auf die tatsächlichen Bedürfnisse des betroffenen Hundes abstimmen zu können. 

Literatur

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Thierry Francey

Thierry Francey

Dr. med. vet., Dip. ACVIM (SAIM), Dip. ECVIM-CA (Innere Medizin), Kleintierklinik Abteilung Innere Medizin – Nephrologie, Vetsuisse Fakultät Bern, Schweiz

Dr. Francey schloss sein Studium an der Universität Bern, Schweiz ab und promovierte 1993 im Bereich Immunologie. Anschließend absolvierte er ein Internship in Anästhesie an der Universität Bern, gefolgt von einer dualen Residency in Innerer Medizin für Kleintiere an der Universität Bern und ein Fellowship in Nierenmedizin und Hämodialyse an der University of California Davis (USA). Er ist Gründungsmitglied des American College of Veterinary Nephrology and Urology (ACVNU), Fakultätsmitglied der Hemodialysis Academy und derzeit Dozent für Innere Medizin und Nephrologie/Urologie bei Kleintieren an der Vetsuisse Fakultät Bern.

Ariane Schweighauser

Ariane Schweighauser

Dr. med. vet., Dip. ACVIM (SAIM), Dip. ECVIM-CA (Innere Medizin), Kleintierklinik Abteilung Innere Medizin – Nephrologie, Vetsuisse Fakultät Bern, Schweiz

Nach Abschluss ihres Tiermedizinstudiums an der Universität Bern, Schweiz, und ihrer Dissertation im Bereich Kleintierchirurgie absolvierte Dr. Schweighauser ein rotierendes Internship an der Universität Bern und anschließend eine rotierende Residency in Innere Medizin der Kleintiere an der Universität Bern und an der Louisiana State University, gefolgt von einem Fellowship in Hämodialyse und Nephrologie an der UCD und der Universität Bern, wo sie derzeit als Dozentin für Innere Medizin und Nephrologie/Urologie tätig ist. Außerdem ist sie eine der Gründerinnen des ACVNU.