Praktische Tipps und Tricks bei Obstruktionen der ableitenden Harnwege
Geschrieben von Catherine Vachon und Marilyn Dunn
Minimalinvasive interventionelle Therapien sind der neue Standard in der Veterinärmedizin und können in den meisten erstversorgenden Praxen ohne Spezialausrüstung durchgeführt werden.
| Dieser Artikel beleuchtet verschiedene Optionen für die minimalinvasive Diagnose und Behandlung bei Patienten mit herausfordernden Obstruktionen der ableitenden Harnwege. Ein zweiter Artikel mit dem Titel „Obstruktionen der ableitenden Harnwege – Fallberichte aus der Praxis“ beschreibt klinische Fälle, in denen minimalinvasive diagnostische und therapeutische Verfahren ein essenzieller Bestandteil der Behandlung waren. |
Article

Kernaussagen
Der Einsatz minimalinvasiver Verfahren bei Obstruktionen der ableitenden Harnwege ermöglicht eine schnellere Genesung des Patienten und reduziert die Morbidität.
Bildgesteuerte Verfahren verbessern die Behandlung von Erkrankungen der ableitenden Harnwege erheblich.
Die Zystourethrographie ist von besonders hohem Nutzen bei der Diagnose von Abflussbehinderungen im Bereich der Urethra und kann in der Allgemeinpraxis durchgeführt werden.
Hydrophile Führungsdrähte sind ein essenzielles Instrument bei Problemen der ableitenden Harnwege in der erstversorgenden Allgemeinpraxis.
Einleitung
Minimalinvasive Verfahren zur Behandlung von Harnwegsobstruktionen werden in der Veterinärmedizin in zunehmendem Maße eingesetzt. Gegenüber der traditionellen Chirurgie haben diese Techniken zahlreiche Vorteile und ermöglichen eine schnelle Genesung der Patienten, sorgen für eine verkürzte Hospitalisierungsdauer und reduzieren die Morbidität. Während fortgeschrittene interventionelle radiologische und endoskopische Verfahren eine spezielle Ausbildung, eine hochmoderne Ausrüstung und die Überweisung an einen Spezialisten oder eine Spezialistin erfordern, können viele minimalinvasive Eingriffe im Bereich der Harnwege in der tierärztlichen Allgemeinpraxis durchgeführt werden (1). Dieser Artikel beschreibt verschiedene Optionen für die minimalinvasive Diagnose und Behandlung bei Katzen und Hunden mit Obstruktion der Harnröhre, wobei der Fokus auf Verfahren liegt, die in der tierärztlichen Allgemeinpraxis durchgeführt werden können.
Das klinische Bild
Klinische Symptome im Zusammenhang mit einer Obstruktion der ableitenden Harnwege (LUTO; Lower Urinary Tract Obstruction) sind ein häufiger Grund für die Vorstellung von Hunden und Katzen in der tierärztlichen Praxis. Im Vorfeld einer vollständigen Obstruktion der Harnröhre können verschiedene klinische Symptome zu beobachten sein, wie Strangurie, Dysurie, Pollakisurie, Periurie und ein verminderter oder fehlender Harnstrahl. Ein mit Anstrengung oder vermehrtem Pressen verbundener Harnabsatz gilt niemals als physiologisch und sollte immer Anlass für eine diagnostische Abklärung sein. Je nach Grad der Harnröhrenobstruktion können die klinischen Symptome variieren. So zeigen betroffene Tiere möglicherweise Unsauberkeitsprobleme, also unangemessenen Harnabsatz im Haus, die Häufigkeit des Harnabsatzes kann zunehmen, der Harnfluss kann vermindert sein, eine Hämaturie kann zu beobachten sein, die Tiere können vokalisieren oder erbrechen und mit Anstrengung oder vermehrtem Pressen verbundene Harnabsatzversuche zeigen, wobei nur wenig oder gar kein Harn austritt. Darüber hinaus kann übermäßiges Belecken der Genitalregion zu beobachten sein. Gelegentlich haben Halter*innen betroffener Tiere Schwierigkeiten, vermehrte Anstrengung oder vermehrtes Pressen beim Harnabsatz von einer Obstipation zu unterscheiden, insbesondere bei Katzen (Abbildung 1). Inkontinenz oder Harnträufeln können ebenfalls beobachtet werden und können mit einem Überlaufen der Blase aufgrund einer teilweisen Blockade einhergehen. Dies ist eine häufige Ursache für Inkontinenz bei Katzen (2).
Kater und Rüden sind aufgrund ihrer engen Urethra anfälliger für Obstruktionen der Harnröhre. Bei Katzen variiert die Inzidenz von Harnröhrenobstruktionen je nach Studie, wobei am häufigsten idiopathische Obstruktionen (+/- 50 %), Harnröhrenpfropfen (18–60 %) und Urolithiasis (20–30 %) beobachtet werden. Neoplasien und Harnröhrenstrikturen kommen dagegen seltener vor (5 %) (3–6). Bei Rüden treten Harnröhrenobstruktionen aufgrund von Urolithiasis häufig auf, wobei Kalziumoxalatsteine am häufigsten vorkommen (7). Bei Hündinnen werden dagegen häufiger struvithaltige Steine beobachtet, da sie eine Prädisposition für Harnwegsinfektionen mit Urease-bildenden Bakterien aufweisen (7–12). Darüber hinaus können Harnröhrenobstruktionen bei Hunden auch durch Blutgerinnsel, Harnröhrenpfropfen, Harnröhrenstrikturen und Neoplasien verursacht werden (13–15).

Abbildung 1. Tierhalter*innen, die beobachten, dass ihre Katze auf der Katzentoilette vermehrt presst, können möglicherweise nicht zwischen Schwierigkeiten beim Harnabsatz und einer Obstipation unterscheiden. © Shutterstock
Klinische Untersuchung
Die Ergebnisse der klinischen Untersuchung unterstützen die Diagnose der zugrundeliegenden Erkrankung und die Priorisierung diagnostischer Tests. Klassische klinische Befunde bei einem Patienten mit Harnröhrenobstruktion sind ein mit Anstrengung oder vermehrtem Pressen assoziierter Harnabsatz in Verbindung mit abdominalen Beschwerden und einer palpatorisch erweiterten/harten Harnblase. Je nachdem, ob es sich um eine partielle oder vollständige Obstruktion der Harnröhre handelt, kann die Blase manuell schwer zu entleeren sein oder im Falle einer vollständigen Obstruktion gar nicht entleert werden. Bei der rektalen Palpation kann eine erweiterte oder angeschwollene Harnröhre festgestellt werden, und bei einem Patienten mit proliferativer Urethritis oder Neoplasie der Harnröhre kann eine Zubildung palpierbar sein. Die rektale Untersuchung ermöglicht zudem eine Palpation der Prostata bei Rüden und die Beurteilung der pelvinen Harnröhre bei Rüden und bei Hündinnen. Harnsteine können im Verlauf der Urethra palpiert werden, insbesondere bei Rüden, bei denen im Rahmen der klinischen Untersuchung nahezu 80 % der Harnröhre palpiert werden kann. Wichtig ist insbesondere eine sorgfältige Palpation der penilen Harnröhre, da dieser Abschnitt aufgrund der Verengung des Harnröhrenlumens bei der Passage durch den Penisknochen eine Prädilektionsstelle für Harnröhrenobstruktionen darstellt. Bei Hündinnen sollte vor der rektalen Palpation immer eine vaginale Untersuchung durchgeführt werden. Bei Katzen kann eine rektale Untersuchung schwierig sein und erfordert eine Anästhesie, während Präputium bzw. Vulva in der Regel problemlos untersucht werden können.
Equipment für minimalinvasive Eingriffe
Der Rest dieses Artikels befasst sich mit einigen Optionen für die minimalinvasive Diagnose und Behandlung bei Patienten mit herausfordernden Obstruktionen der ableitenden Harnwege. Als Voraussetzung für die praktische Durchführung dieser Maßnahmen empfehlen die Autorinnen folgendes Equipment: hydrophile Führungsdrähte, Katheter mit offenem Ende, jodhaltiges Kontrastmittel sowie digitales Röntgen und Ultraschall. Röntgendichte Führungsdrähte sind in verschiedenen Größen und Längen erhältlich; sie sollten mindestens doppelt so lang sein wie der zu verwendende Katheter, um den Austausch zu erleichtern (Tabelle 1). Die Autorinnen bevorzugen hydrophil beschichtete, abgewinkelte Führungsdrähte für die Harnwege, da diese aufgrund ihres geringen Reibungskoeffizienten in angefeuchtetem Zustand leicht gleiten und so die Gefahr einer iatrogenen Perforation der Harnröhre minimieren.
Tabelle 1. Equipment für den minimalinvasiven Zugang zu den ableitenden Harnwegen.
| Hydrophiler abgewinkelter Führungsdraht | |||
|---|---|---|---|
| Durchmesser des Katheters/der Kanüle | 22 G | 20 G | 18 G |
| Größen | 0,018’’/0,46 mm | 0,025’’/0,64 mm | 0,035’’/0,89 mm |
| Größen für Katheter mit offenem Ende | 3 Fr oder > | 4 Fr oder > | 5 Fr oder > |
| Anwendung | Kater oder Rüde < 5 kg | Weibliche Katze oder Hündin > 5 kg | |
Diagnose einer Harnröhrenobstruktion
Bei jedem Patienten mit Verdacht auf eine Obstruktion der Harnröhre werden abdominale Röntgenaufnahmen empfohlen. Röntgenaufnahmen können eine Blasenüberdehnung zeigen und röntgendichte Steine identifizieren sowie deren Größe, Anzahl, Kontur und Lokalisation bestimmen (Abbildung 2). Bei Rüden und Katern mit Harnröhrenobstruktion sind Steine eher im distalen Abschnitt der Harnröhre zu finden, wo sich das Harnröhrenlumen verengt. Um das Risiko des Übersehens einer Läsion oder eines Urolithen in der penilen Harnröhre aufgrund einer Überlagerung durch den Femur zu minimieren, werden zwei laterale Röntgenaufnahmen empfohlen, eine mit gebeugten und eine mit gestreckten Beckengliedmaßen. In Standardröntgenaufnahmen ist die pelvine Urethra schlecht visualisierbar, und eine Ultraschalluntersuchung erlaubt lediglich die Beurteilung des proximalen Abschnitts. Unterstützt wird die Visualisierung der pelvinen Urethra durch schräge Röntgenaufnahmen, bei denen der Patient in Seitenlage mit einer im Winkel von 45 ° angehobenen Beckengliedmaße liegt. (Abbildung 3). Eine Zystourethrographie kann in der tierärztlichen Allgemeinpraxis durchgeführt werden und ermöglicht die Beurteilung des gesamten Verlaufs der Harnröhre (siehe unten). Eine Ultraschalluntersuchung der Blase ist hilfreich, um kleine und/oder strahlendurchlässige Steine und Weichteilzubildungen zu identifizieren. Die Ultraschalluntersuchung der penilen Harnröhre, insbesondere proximal des Os penis, wird manchmal vernachlässigt, ist aber bei jedem Verdacht auf eine Harnröhrenobstruktion angezeigt.

Abbildung 2. Nativaufnahme (a) und Doppelkontrastaufnahme (b) des Abdomens einer Katze, die mit Hämaturie und Beschwerden beim Harnabsatz vorgestellt wurde. Während Blasensteine in Röntgenaufnahmen leicht zu erkennen sind, können Harnröhrensteine viel schwieriger zu identifizieren sein. © E. McNeill

Abbildung 3. Harnröhrensteine können schwer zu erkennen sein, da sie in lateralen Röntgenaufnahmen von den Beckenknochen überlagert sein können; in diesen Fällen können schräge Röntgenaufnahmen hilfreich sein. © Dr. C. Vachon
Zystourethrographie
Die Zystourethrographie ist ein röntgendiagnostisches Verfahren, das zur Visualisierung der Blase und der Harnröhre mit Hilfe eines Kontrastmittels eingesetzt wird und bei allen Patienten mit Verdacht auf eine Harnröhrenobstruktion oder Harnabsatzstörungen angezeigt ist. Dieses bildgebende Verfahren ermöglicht eine vollständige Beurteilung struktureller und funktioneller Harnröhrenobstruktionen und ist besonders hilfreich für den Nachweis von strahlendurchlässigen Steinen, Harnröhrenstrikturen, Spasmen, Harnröhrenrupturen, Reflexdyssynergien, funktionellen Harnröhrenobstruktionen (Functional Urethral Outlet Obstruction; FUOO) sowie extra- und intraluminalen Zubildungen. Bei der Abklärung einer funktionellen Obstruktion sollten die verwendeten Sedativa/Anästhetika berücksichtigt werden, da diese zu einer Muskelentspannung führen und eine dynamische Obstruktion (z. B. urethrale Spasmen) auf diesem Weg abmildern können. Bei der Zystourethrographie handelt es sich um ein im Allgemeinen sicheres Verfahren, und Komplikationen entstehen nur selten (z. B. bakterielle Kontamination, iatrogene Schädigung der Harnröhren-/Blasenwand, anekdotisch Luftembolie) (16, 17).
Eine fluoroskopische Zystourethrographie ist ideal für die Echtzeit-Evaluierung des Harntraktes, insbesondere bei dynamischen Pathologien wie Harnröhrenspasmen, Reflexdyssynergie oder FUOO. Voraussetzung für eine vollständige und diagnostisch aussagekräftige Untersuchung ist dabei die bildgebende Untersuchung der Entleerungsphase (im Gegensatz zur retrograden Füllung durch einen Harnkatheter).
Der Patient wird tief sediert oder anästhesiert und aseptisch vorbereitet für die retrograde Katheterisierung. Ein Markerkatheter im Dickdarm kann hilfreich sein, wenn spezifische Messungen erforderlich sind (z. B. für die Platzierung eines Harnröhrenstents), und laterale und dorsale Ebenen gewährleisten eine vollständige Beurteilung der ableitenden Harnwege. Ein Führungsdraht wird vorsichtig retrograd durch die Harnröhre vorgeschoben (vorzugsweise unter fluoroskopischer Kontrolle), bis er sich in der Blase krümmt. Wenn eine Fluoroskopie nicht verfügbar ist, kann eine Ultraschallkontrolle hilfreich sein, um die richtige Positionierung des Drahtes in der Blase zu bestätigen. Über den Führungsdraht wird nun ein Blasenkatheter mit offenem Ende, dessen Länge vorab gemessen wurde (Abstand zwischen distaler Harnröhre und Apex vesicae), bis in die Blase vorgeschoben und dann wird der Führungsdraht entfernt. Im nächsten Schritt wird ein nichtionisches, wasserlösliches Jodkontrastmittel (in der Regel im Verhältnis 50:50 mit physiologischer Kochsalzlösung gemischt) in die Blase instilliert, bis diese sich palpatorisch fest anfühlt und das Trigonum vesicae und die Harnröhre in der Fluoroskopie/Röntgenaufnahme gut abgrenzbar sind. Um eine diagnostisch aussagekräftige Entleerungsphase zu erhalten, muss die Blase gut gedehnt sein. Eine Unterfüllung der Blase ist ein häufiger Grund für nicht diagnostisch aussagekräftige Untersuchungen. Eine maximale Dehnung von Harnblase und Harnröhre wird erreicht, indem die zuvor gedehnte Harnblase manuell entleert wird, während gleichzeitig Kontrastmittel durch einen im Bereich des mittleren distalen Abschnitts der Harnröhre positionierten Harnkatheter injiziert wird (Abbildung 4). Der Harnkatheter wird dann unter Fortsetzung der Kontrastmittelinstillation zurückgezogen, um die distale Harnröhre zu beurteilen. Wird die Zystourethrographie mit Hilfe von Röntgenaufnahmen durchgeführt, ist das Timing der Röntgenaufnahme entscheidend, das heißt, die Bilder müssen während der manuellen Entleerung gemacht werden.
Die pelvine Urethra ist in Standardröntgenaufnahmen schlecht visualisierbar, und eine Ultraschalluntersuchung erlaubt lediglich die Beurteilung des proximalen Abschnitts. Unterstützt wird die Visualisierung der pelvinen Urethra durch schräge Röntgenaufnahmen, bei denen der Patient in Seitenlage mit einer im Winkel von 45 ° angehobenen Beckengliedmaße liegt.
Eine Zystourethrographie kann auch dann durchgeführt werden, wenn die Katheterisierung der Harnröhre nicht erfolgreich ist (z. B. aufgrund einer Ruptur oder einer vollständigen/distalen Harnröhrenobstruktion. In diesen Fällen kann das Kontrastmittel durch eine in die Harnblase eingeführte Kanüle injiziert werden (umgekehrte Zystozentese). Bei überdehnter Blase kann gegebenenfalls eine partielle Dekompression mittels Zystozentese sinnvoll sein, wobei die aspirierte Harnmenge durch die gleiche Menge Kontrastmittel ersetzt wird, bis eine ausreichende Blasenfüllung erreicht ist. Die Kanüle wird dann aus der Blase zurückgezogen und die Zystourethrographie wie oben beschrieben durchgeführt.
Um einen optimalen Strahlenschutz bei der diagnostischen Bildgebung zu gewährleisten, muss die Untersuchung mit Bleihandschuhen und einer Bleischürze durchzuführt werden, wodurch die Visualisierung der Blase während der Untersuchung teilweise beeinträchtigt werden kann. Die wichtigste Phase einer Miktionszystourethrographie ist jedoch die Urethrogrammphase, denn die vollständig mit Kontrastmittel gefüllte Blase kann auch mit Hilfe von Ultraschall untersucht werden bevor die Entleerung beginnt.

Abbildung 4. Die fluoroskopische Zystourethrographie ermöglicht eine Echtzeit-Untersuchung der Harnwege. Bei einem Patienten wird die mit Kontrastmittel gefüllte Blase manuell entleert (z. B. durch Druck auf den Blasenbereich mit einem Holzinstrument), während gleichzeitig Kontrastmittel über einen im mittleren distalen Abschnitt der Harnröhre platzierten Katheter instilliert wird. Die großen Pfeile deuten die Richtung des Harnflusses an, während die kleinen Pfeile die Dehnung der Harnröhre und des Blasenhalses anzeigen. Es muss darauf geachtet werden, dass die Hände des Operateurs während der Fluoroskopie außerhalb des primären Strahlengangs bleiben. © Gezeichnet von Sandrine Fontègne
Retrograde Katheterisierung mit abgewinkeltem Führungsdraht
Ein hydrophiler Führungsdraht mit abgewinkelter Spitze lässt sich in der Regel auch bei schwierigem Zugang und eingeschränkter Durchgängigkeit leicht durch die Harnröhre einführen. Der Führungsdraht wird mit der abgewinkelten oder biegsamen Spitze voraus vorsichtig durch die Harnröhre bis in die Blase hinein vorgeschoben. Der Draht sollte dabei in der Lage sein, durch eine Striktur und entlang von Steinen durch das Harnröhrenlumen zu gleiten, wobei während des Vorschiebens eine vorsichtige Umlenkung des Drahtes erforderlich sein kann, um eine Obstruktion zu umgehen. Die korrekte Positionierung des Führungsdrahtes in der Harnblase kann mittels Fluoroskopie, Röntgen oder Ultraschall überprüft werden. Anschließend kann ein Blasenkatheter mit offenem Ende über den Führungsdraht in die Blase vorgeschoben werden, bevor der Führungsdraht entfernt und die Blase gespült wird. Die Positionierung des Katheters wird nun erneut durch Röntgen oder Ultraschall überprüft, und der Katheter kann dann an Ort und Stelle mit einer Naht fixiert werden.
Antegrade Katheterisierung
Wenn die retrograde Katheterisierung erfolglos ist, eine Harnröhrenkatheterisierung aber dennoch erforderlich ist (z. B. im Falle einer Harnröhrenruptur oder Blasenruptur), kann eine anteriore Katheterisierung durchgeführt werden, vorzugsweise unter sonographischer oder fluoroskopischer Kontrolle, obwohl dies nicht zwingend erforderlich ist. Der Patient wird anästhesiert, aseptisch vorbereitet und in Rückenlage positioniert. Zunächst wird ein 18G-22G-Venenkatheter im Bereich von Apex / Corpus vesicae der gedehnten Harnblase eingeführt (unter Vermeidung des Trigonum vesicae) (Abbildung 5a). Der Mandrin wird zurückgezogen und ein hydrophiler Führungsdraht mit abgewinkelter Spitze (Größen siehe Tabelle 1) wird durch den Katheter in Richtung des Trigonum vesicae vorgeschoben. Der Führungsdraht wird weiter vorgeschoben, bis er durch das Präputium bzw. die Vulva austritt (Abbildung 5b) und somit ein vollständiger Durchgang erreicht ist. Der Venenkatheter wird dann aus dem Blasenlumen entfernt und ein Blasenkatheter mit offenem Ende wird retrograd über den Führungsdraht vorgeschoben, bis sich seine Spitze im Blasenlumen befindet (Abbildung 5c). Der Führungsdraht wird nun entfernt und der Blasenkatheter an Ort und Stelle mit einer Naht fixiert.

Abbildung 5. Antegrade Katheterisierung. (a) Ein Venenkatheter der Größe 18G-22G wird unter Ultraschallkontrolle in die gedehnte Harnblase eingeführt. (b) Ein hydrophiler Führungsdraht mit abgewinkelter Spitze wird durch den Katheter in Richtung Trigonum vesicae vorgeschoben, bis er durch das Präputium bzw. die Vulva austritt. (c) Der Venenkatheter wird aus der Blase zurückgezogen, und ein Blasenkatheter mit offenem Ende wird retrograd über den Führungsdraht bis in das Blasenlumen vorgeschoben; anschließend wird der Führungsdraht entfernt. © Gezeichnet von Sandrine Fontègne
Urohydropropulsion
Abgesehen von der medikamentösen Auflösung ist die Urohydropropulsion das am wenigsten invasive Verfahren zur Entfernung von Blasensteinen, und für eine erfolgreiche Durchführung ist nur minimales Equipment erforderlich: ein roter Gummi-Harnkatheter und sterile Kochsalzlösung sind ausreichend. Hündinnen und weibliche Katzen profitieren am meisten von diesem Verfahren. Bei Katern ist eine Urohydropropulsion dagegen nicht angezeigt, da ein hohes Risiko einer Harnröhrenobstruktion besteht. Bei Rüden kann eine Urohydropropulsion versucht werden, ist jedoch aufgrund der langen und gewundenen Harnröhrenanatomie tendenziell weniger erfolgreich. Kleine Steine (2–3 mm) können in der Regel mit Hilfe dieser Technik erfolgreich herausgespült werden, während der Erfolg bei größeren Steinen oft von der Größe des Patienten abhängt. Der Durchmesser der Harnröhre eines Patienten kann durch Einführen eines Harnkatheters abgeschätzt werden, wobei die maximal durch die penile Harnröhre passende Kathetergröße die ungefähre Größe der Steine bestimmt, die mit Hilfe dieser Technik ausgeschieden werden können.
Der Patient wird anästhesiert und aseptisch für die retrograde Harnröhrenkatheterisierung vorbereitet. Die Harnblase wird über einen Katheter gefüllt, wobei eine Überfüllung zu vermeiden ist (die Blasenkapazität beträgt etwa 10–15 ml/kg). Wenn die Katheterisierung nicht erfolgreich ist, kann eine passive Füllung der Harnröhre/Blase durch Instillation von physiologischer Kochsalzlösung in das Vestibulum erreicht werden. Sobald die Blase palpatorisch hart ist, wird der Katheter entfernt und der Patient in eine vertikale Position gebracht. Die Harnblase wird palpiert, vorsichtig manuell in kraniale Richtung gezogen und geschüttelt, um die im Blasenlumen befindlichen Steine in Richtung Trigonum vesicae zu bewegen und gleichzeitig die Harnröhre zu begradigen. Durch leichten manuellen Druck auf die Blase wird die Entleerung gefördert. Während der Entleerung sollte die Blase durch leichten kranial gerichteten manuellen Zug in gestreckter Position gehalten werden, um ein Abknicken der Harnröhre zu verhindern. Wenn es infolge der Passage der Steine zu einer Harnröhrenobstruktion kommt, können die Steine mit einem Harnkatheter zurückgeschoben und der Eingriff entweder abgebrochen oder wiederholt werden. Die oben beschriebene Technik kann wiederholt werden, bis alle Steine ausgeschieden sind, und dient darüber auch zur Entnahme von Steinen für die anschließende Laboranalyse der Mineralzusammensetzung.
Nach dem Eingriff kann gelegentlich eine geringgradige Hämaturie auftreten, die generelle Verabreichung von Antibiotika nach einer Urohydropropulsion ist jedoch umstritten. Bei hochgradiger Hämaturie oder im Falle einer Verletzung der Asepsis können Antibiotika über 3–5 Tage verabreicht werden. Bei Verdacht auf eine bereits vor dem Eingriff bestehende Infektion der ableitenden Harnwege wird eine Antibiotikabehandlung vor Durchführung der Urohydropropulsion empfohlen, um das Risiko einer iatrogenen Schädigung (d. h. einer Ruptur der Blasen- oder Harnröhrenwand) zu verringern. Wenn die Urohydropropulsion nicht erfolgreich ist, sind eine Zystoskopie (+/- Laserlithotripsie oder Entfernung mittels Steinfangkörbchen) und eine perkutane Zystolithotomie mögliche Alternativen, die in der Regel aber eine Überweisung erfordern. Generell sollte vor jeder Steinentfernung aber immer eine medikamentöse Auflösung in Betracht gezogen werden.
Eine fluoroskopische Zystourethrographie ist ideal für die Echtzeit-Evaluierung des Harntraktes, insbesondere bei dynamischen Pathologien wie Harnröhrenspasmen, Reflexdyssynergie oder funktioneller Harnröhrenobstruktion.
Schlussfolgerung
Minimalinvasive interventionelle Therapien gelten als der neue Standard in der Veterinärmedizin, sind in zunehmendem Maße verfügbar und werden von Tierhalter*innen immer mehr nachgefragt. Diese Verfahren sind mit minimalen Gewebeverletzungen, kürzeren Genesungszeiten und einer geringeren Morbidität verbunden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist das richtige Equipment und eine sorgfältige Fallauswahl. Für weitere Informationen zu diesen Techniken seien die Leser*innen auf den zugehörigen fallbasierten Artikel mit dem Titel „Obstruktionen der ableitenden Harnwege – Fallberichte aus der Praxis“ verwiesen, in dem beschrieben wird, wie diese Verfahren in der Behandlung von Patienten praktisch eingesetzt werden.
Literatur
- Job C, Lecavalier J, Dunn M. et al. Comparison of percutaneous cystolithotomy and open cystotomy for removal of urethral and bladder uroliths in dogs: Retrospective study of 81 cases (2014-2018). J. Vet. Intern. Med. 2022;36(6):2063-2070.
- Merindol I, Vachon C, Dunn M. Feline urinary incontinence: a retrospective case series (2009-2019). J. Feline Med. Surg.2022;24(6):506-516.
- Kruger JM, Osborne CA, Goyal SM, et al. Clinical evaluation of cats with lower urinary tract disease. J. Am. Vet. Med. Assoc. 1991;199:211-216.
- Lulich J, Osborne C. Overview of diagnosis of feline lower urinary tract disorders. Vet. Clin. North Am. Small Anim. Pract. 1996;26:339-352.
- Gerber B, Eichenberger S, Reusch CE. Guarded long-term prognosis in male cats with urethral obstruction. J. Feline Med. Surg. 2008;10:16-23.
- Bartges JW, Finco DR, Polzin DJ, et al. Pathophysiology of urethral obstruction. Vet. Clin. North Am. Small Anim. Pract. 1996;26(2):255-264.
- Kopecny L, Palm CA, Segev G, et al. Urolithiasis in dogs: Evaluation of trends in urolith composition and risk factors (2006-2018). J. Vet. Intern. Med. 2021;35:1406-1415.
- Osborne CA, Lulich JP, Kruger JM, et al. Analysis of 451,891 canine uroliths, feline uroliths, and feline urethral plugs from 1981 to 2007: perspectives from the Minnesota Urolith Center. Vet. Clin. North Am. Small Anim. Pract. 2009;39:183-97.
- Lulich JP, Kruger JM, Macleay JM, et al. Efficacy of two commercially available, low-magnesium, urine-acidifying dry foods for the dissolution of struvite uroliths in cats. J. Am. Vet. Med. Assoc. 2013;243:1147-1153.
- Roe K, Pratt A, Lulich J, et al. Analysis of 14,008 uroliths from dogs in the UK over a 10-year period. J. Small Anim. Pract. 2012;53:634-640.
- Houston DM, Weese HE, Vanstone NP, et al. Analysis of canine urolith submissions to the Canadian Veterinary Urolith Centre, 1998-2014. Can. Vet. J. 2017;58:45-50.
- Ling GV, Franti CE, Johnson DLL, et al. Urolithiasis in dogs III: prevalence of urinary tract infection and interrelations of infection, age, sex, and mineral composition. Am. J. Vet. Res. 1998;59:643-649.
- Burgess KE, DeRegis CJ. Urologic oncology. Vet. Clin. North Am. Small Anim. Pract. 2019;49(2):311-323.
- ,, Urethral plugs in dogs. J. Vet. Intern. Med. 2014;28(2):324-330.
- TL, AC, Evaluation of urethral stent placement for benign urethral obstructions in dogs. J. Vet. Intern. Med. 2014;28(5):1384-1390.
Catherine Vachon
DMV, DVSc, Dip. ACVIM, Fellow IR, Department of Clinical Sciences, School of Veterinary Medicine Montreal, Quebec, Kanada
Nach Abschluss ihres Studiums an der Universität Montreal im Jahr 2011 absolvierte Dr. Vachon ein Internship in Innerer Medizin und anschließend eine Residency in Innerer Medizin an der Universität Guelph, Ontario, die sie 2016 abschloss. Ein Jahr später folgte ein Fellowship in interventioneller Radiologie und Endoskopie an der Universität Montreal. Derzeit arbeitet Dr. Vachon an der tierärztlichen Klinik der Universität Montreal im Bereich Innere Medizin und interventionelle Medizin. Ihr besonderes Interesse gilt minimalinvasiven Verfahren und der Endourologie.
Marilyn Dunn
DMV, MVSc, Dip. ACVIM, Fellow IR, Department of Clinical Sciences, School of Veterinary Medicine Montreal, Quebec, Kanada
Dr. Dunn schloss ihr Studium an der Faculty of Veterinary Medicine der Universität Montreal ab, absolvierte anschließend eine Residency in Innerer Medizin und errang einen Master-Abschluss an der Universität Saskatchewan. Sie absolvierte ein Fellowship für interventionelle Radiologie und Endoskopie an der Universität Pennsylvania und ist derzeit Professorin für Internal Medicine an der Universität Montreal. Dr. Dunn ist Gründungsmitglied der Veterinary Interventional Radiology and Interventional Endoscopy Society und des American College of Veterinary Nephrology & Urology und derzeit Mitglied des IRIS Kidney Board.
Andere Artikel in dieser Ausgabe
Auf sozialen Medien teilen